Sonntag, 27. Februar 2011

Sonntag, 27. Februar 2011




Auf Korsika ist Spargelzeit! Korsischer wilder grüner Spargel Teil 4 – Rezept für Grünspargelcremesuppe nach korsischer Art

Zutaten für ca. 4 Personen
Die unteren Teile von 1 kg wilden Spargel (Strunk ohne Spitzen, die Spitzen können für andere Spargel-Rezepte verwendet werden)
4 Kartoffeln
Saft einer gepressten Knoblauchzehe
1 Eigelb
150 ml flüssige Sahne
Milch
Salz, Pfeffer
1 EL getrockneter Thymian
1 Lorbeerblatt
1 EL korsisches Olivenöl


Zubereitung:
Den Spargel und die Kartoffeln in ca. 2 Litern leicht gesalzenem Wasser garen und weich kochen, mit der gepressten Knoblauchzehe und dem Olivenöl und den Gewürzkräutern vermischen und ca. 20 Minuten bei niedriger Hitze durchköcheln lassen. Die Brühe wenn nötig mit etwas Milch aufgießen und dann mit dem Pürierstab pürieren. Mit der flüssigen Sahne und dem Eigelb verrühren und kurz aufkochen lassen. Wenn nötig salzen und pfeffern.
Heiß servieren!

Viel Spaß beim Sammeln und Zubereiten und Guten Appetit!

Ihre Miluna

Samstag, 26. Februar 2011




Auf Korsika ist Spargelzeit! Korsischer wilder grüner Spargel Teil 3 – Rezept für Spargelspitzenomelette

Zutaten für 4 Personen:
die Spitzen von ca. 1 kg grünen wilden Spargel
8 frische Eier
5 Blätter frischer Neptia (Majoran)
Den Saft einer ausgepressten Knoblauchzehe
Olivenöl zum Anbraten
Salz, Pfeffer



Zubereitung:
die Spargelspitzen (ca. 2 cm) von ihrem Strang trennen – die Strunks kann man für ein weiteres Rezept aufbewahren, siehe morgen!
In einer Pfanne Olivenöl heiß werden lassen und die Spargelspitzen darin wenden
Die Eier in einer Schüssel verrühren, salzen, pfeffern, die fein gehackte Nepita und den Saft der ausgepressten Knoblauchzehe untermischen. Nun die Eimasse auf die gut angebräunten Spargelspitzen gießen und zu einem Omelette braten, und nach ein paar Minuten wenden. Je nach Geschmack heiß servieren und genießen!

Donnerstag, 24. Februar 2011




Auf Korsika ist Spargelzeit! Korsischer wilder grüner Spargel Teil 2 – Rezept für Korsischer grüner Spargel mit Vinaigrette im Prizuttumantel

Zutaten für 4 Personen:
1 kg grünen wilden Spargel
6 EL korsisches Olivenöl
2 EL frisch gepressten Zitronensaft
1 EL Wasser
Salz, Pfeffer aus der Mühle
den Saft einer gepressten Knoblauchzehe
1 TL Macchiekräuter oder Kräuter der Provence
Korsischer Räucherschinken Prizuttu

Den Spargel unter kaltem Wasser gut abspülen und eventuell Grashalme und Ameisen entfernen.
Ca. 10 – 20 Minuten (je nach Größe und Dicke) in Salzwasser garen oder im Dampfkochtopf(um die wertvollen Vitamine zu erhalten!) erhitzen, dann entweder warm oder kalt mit einer einfachen Vinaigrette servieren.



Aus den Zutaten eine Vinaigrette anrühren
Die warmen oder kalten, gegarten Spargelstangen zu Bündeln zusammenlegen und eine , dünne kurz angebratenen Scheibe korsischen Prizuttu (geräuchertem Schinken) darum herum rollen und das Ganze mit der Vinaigrette beträufeln…


…und guten Appetit!

Mittwoch, 23. Februar 2011




Leseprobe aus meinem Roman « Wurzeln der Hoffnung »

Heute biete ich Ihnen eine noch unveröffentlichte Leseprobe aus meinem Roman „Wurzeln der Hoffnung“ an. Den Ausschnitt veröffentliche ich mit freundlicher Genehmigung des Sirius Verlags, bei dem der Roman erschienen ist. Das Buch ist als Ebook erschienen, am Ende des Posts gibt es auch einen Link zum Download des Romans für Ebook-Reader wie den Kindle von Amazon.

Vielen Dank für Ihre Interesse.

Herzlichst,Ihre Miluna







Dieses musikalisch untermalte Video habe ich mit Photos in chronologischer Reihenfolge zu den Kapiteln des Romans zusammengestellt



« Wurzeln der Hoffnung »



Ein Konvoi von zehn schwarzen Geländewägen bog von der Hauptstraße in eine kleine Nebenstraße ab und fuhr in eiligem Tempo die kurvige Bergstraße zwischen den mit grüner Macchia und jungen Korkeichen bewachsenen Felsen hinauf. Die Wagen setzten ihre schnelle Fahrt bis zu einem Plateau fort, von dem eine steile, betonierte Piste hinunter zu einem jakobsmuschelförmigen Golf führte, an den sich noch weitere, kleinere Golfe anreihten.

Der Vollmond ging am Osthorizont auf und spiegelte sich auf dem glatten Meer. Die nächtliche Stille wurde von dem Aufheulen der Geländewagenmotoren unterbrochen, sogar die Nachtvögel stellten ihren Gesang ein und die Frösche am Bach hörten auf zu quaken. Nur einige Grillen zirpten unaufhaltsam weiter.

Die Geländefahrzeuge fuhren nun langsam die steile Piste hinunter und folgten ihr bis zur nächsten betonierten Einfahrt. Dort hielt der Konvoi einen Augenblick an. Dann fuhren fünf Wagen links und fünf Wagen rechts neben der Piste hinein in ein Feld, das mit flachen Macchiapflanzen bewachsen war.

Steine flogen davon und Zweige krachten unter den mahlenden Rädern.

Die überfahrenen Pflanzen gaben einen würzigen, betörenden Duft ab, der in der Luft hängen blieb. Es roch wie nach einem Frühsommerregen.

Nach kurzer, holpriger Fahrt hielt der geteilte Konvoi unter einem Pinienhain an. Die Wagen wendeten und stellten sich, einer neben dem anderen, auf. In jedem Wagen blieb ein maskierter Fahrer sitzen.

Vierzehn Männer, maskiert und in schwarzen Kampfanzügen, stiegen geräuschlos aus, und legten sich Waffen- und Munitionsgürtel um. Sie beluden ihre Schultern mit vollgepackten Militärrucksäcken. Dann robbten sie zu den sich im Bau befindlichen Feriencamps.

Alicia passierte gerade den Ort Suertanatra, den ihr Kollege in seiner Nachricht genannt hatte, und fuhr die schmale und mit Schlaglöchern übersäte Straße hoch bis zu einem Plateau. Dort überlegte sie, welchen Weg sie einschlagen sollte. Vor sich sah sie zwei Möglichkeiten, hinunter zum Meer zugelangen.





Auf einer sehr steilen Piste oder auf einem weniger steilen, schmalen Weg. Sie entschied sich für den Weg. Nach kurzer Fahrt erreichte sie einen Wegweiser mit der Aufschrift ›Golfu di Pirone‹. Das war das Feriencamp, das bald eröffnen sollte.

Alicia fuhr hin und parkte ihren Wagen unter einer riesigen Pinie, nicht weit von der Eingangspiste des Camps. Sie lud sich ihre Kamerarüstung auf, machte ihre Apparate auslösebereit und begab sich auf den Weg zur Rezeption des Camps.

Saveriu und andere Kommandomitglieder waren gerade dabei, die Hauptanlagen, Bungalows, Duschkomplexe und Restaurantpavillons und die Rezeption des fast vollendeten Feriencamps mit Sprengstoff zu bestücken. Sie verständigten sich mithilfe einer Zeichensprache, um jeden Lärm zu vermeiden.

Tony und Felice, die Wache am Eingang standen, schauten ungeduldig auf die Uhr. Tony flüsterte: „Wo, zum Teufel, bleibt Michel?“ Felice schüttelte den Kopf und antwortete in Zeichensprache, als er Schritte aus der Richtung der Rezeption sich nähern hörte. Die beiden nahmen Deckung hinter dem bogenförmigen Eingang, Tony hielt sein Maschinengewehr im Anschlag.

Sie beobachteten, wie ein Mitglied des Kommandos mit einer Person aus dem Schatten trat, die mit einer Kameraausrüstung beladen war.

„Ohimè!“, stieß Felice laut hervor, als er die Person erkannte.

Sein Kollege puffte ihn unsanft in die Seite. „Nicht so laut, was ist denn? Oh, Michel hat eine Vertretung geschickt. Ist das nicht – Saverius Fotografin?“, flüsterte Tony.

Felice nickte und gab Alicia zu verstehen, dass sie keinen Lärm machen durfte. Tony erklärte ihr leise, welche Aufnahmen sie machen sollte. Sie ging sofort an die Arbeit, begleitet von dem Maskierten, der ihre Kameraausrüstung trug.

Alicia fotografierte das Kommando beim Auslegen der Sprengladungen gemäß Tonys Anweisungen. Sie machte schnell und war bald fertig mit der Arbeit. Gerade als sie sich auf den Rückweg zur Rezeption machte, kam ein maskierter Kämpfer auf sie zu.

»Alicia, was machst du denn hier!« Er riss seine Maske vom Gesicht.

„Xavier, bist du es?“ Sie versuchte, trotz ihrer Aufregung und

Freude, so leise wie möglich zu sprechen. „Ich vertrete Michel.“

Er nahm sie schweigend in die Arme. Sie drückte ihn fest an sich und sie schauten sich einen Augenblick lang tief in die Augen. „Alicia, du musst hier weg! So schnell wie möglich! Du hättest nicht hier herkommen sollen. Du hast deine Aufnahmen im Kasten? Also geh, bitte. Schnell!“

„Xavier oder Saveriu? Du hast mir noch keine Antwort gegeben“, hakte sie ein wenig verärgert nach.

Weitere Kommandomitglieder kamen aus allen Richtungen angelaufen, um sich für den Abmarsch bereit zu machen. Er schaute nervös auf die Umstehenden und antwortete ihr, indem er sie in Richtung Rezeption vor sich herschob: „Dazu haben wir jetzt keine Zeit, Alicia. Bitte, sei vernünftig. Mach dich auf den Weg. Es ist zu gefährlich!“ Ganz nah an ihrem Ohr flüsterte er: „Ich liebe dich! Das ist meine Antwort.“

„Xavier, also bist du es!“

Er nickte und sie umarmte und küsste ihn leidenschaftlich. Die Herumstehenden klatschten leise Applaus und einer flüsterte: „Also wirklich. Was für eine rührende Szene! Nur ist das hier leider nicht der Ort und auch nicht die Zeit für Romantik…“

Langsam, wie in Zeitlupe, lösten sie sich voneinander. Sie lud sich die Kameraausrüstung auf die Schulter und ließ sich wieder hinaus zu ihrem Wagen begleiten. Saveriu brach mit den anderen zur Sprengung auf.




Als Alicia wieder die Hauptstraße erreicht hatte, fuhr sie in zügigem Tempo zurück in den Norden. Sie hatte ein so intensives Kribbeln in der Magengegend, dass sie aufpassen musste, nicht vor Euphorie die Kontrolle über ihren Wagen zu verlieren.

Dabei hatte sie auch nicht gemerkt, dass auf der Bergstraße ein kleiner Wagen hinter ihr war. Auf der Abzweigung in die Hauptstraße hielt der Wagen an. Ein Mann stieg aus und sprach in sein Handy. Dann fuhr er Richtung Süden weiter.

Wenig später durchschnitten die aufheulenden Polizeisirenen die Stille der Spätsommernacht.

Saveriu und seine Freunde waren gerade dabei, zu ihren Geländewagen zu rennen, nachdem sie endlich die Sprengschnüre gezündet hatten. Bis zu den Explosionen blieb wenig Zeit und sie mussten sich sehr beeilen, um sich aus der Reichweite der zerstörerischen Detonationen zu begeben. Kurz bevor sie ihre Wagen erreicht hatten, hörten sie Sirenengeheul und Motorendröhnen. Über ihnen näherten sich Polizeihubschrauber, Scheinwerferlicht erfasste sie bei ihrem Versuch zu fliehen. Bis zu den Zähnen bewaffnete Männer der Antiterroreinheit umstellten das Camp in kürzester Zeit und trieben die Kämpfer zusammen.

„Ohimè, wir sind aufgeflogen!“, schrie Felice. Tony schoss eine Salve nach oben. Ein Kugelhagel kam herab.

„In Deckung, Männer!“



© Miluna Tuani





…Ende der Leseprobe, weiter geht’s hier:





https://itunes.apple.com/de/book/wurzeln-der-hoffnung/id479868353?mt=11



http://www.amazon.com/Wurzeln-Hoffnung-German-Edition-ebook/dp/B004FV557S



http://www.bookrix.de/_title-de-miluna-tuani-wurzeln-der-hoffnung-leseprobe



http://siriusverlag.blogspot.fr/2010/12/weihnachten-in-der-leseprobe-wurzeln.html




Dienstag, 22. Februar 2011




Auf Korsika ist Spargelzeit! Korsischer wilder grüner Spargel (Asparagus Acutifolius) Teil 1 – Besonderheiten aus Korsika

Wer die Insel und ihre Flora gut kennt weiß, dass man sich wie die Ureinwohner vom Sammeln und Ernten wilder essbaren Pflanzen ernähren könnte. In jeder Jahreszeit gibt es wilde Pflanzen, verwilderte Kulturen und veredelte Obst-Nuss-Bäume und vieles mehr. Heute möchte ich Ihnen eine ganz besondere Spezialität vorstellen: Den wilden grünen Spargel (Asparagus Acutifolius):



Allgemeines: Sein typischer Spargelgeschmack ist um einiges stärker, als der des kultivierten grünen Spargel, aber er ist weit aus zarter, da er viel dünner ist als sein kultivierter Bruder; er zergeht sozusagen auf der Zunge, erst einmal wildspargelgerecht zubereitet.

Lokalisation und Erntezeit: Er kommt u.a. auf Korsika und in den Regionen rund ums Mittelmeer vor. Er wächst entweder im Hinterland der Strandregionen, aber auch im Inneren der Insel, am Straßenrand, wie auf Hügeln zwischen wilder Macchia. Um ihn zu finden, muss man erst einmal die Pflanze selbst ausmachen und erkennen. In den Strandregionen kann man ab Mitte Februar die ersten Spargelspitzen aus ihrer Pflanze sprießen sehen, die dagegen weiter im Hinterland wachsenden Pflanzen produzieren erst ab ca. Mitte März ihre ersten Spargel. Je nach Gegend endet die Spargelernte auf Korsika ca. Mitte April.

Wie findet man wilden grünen Spargel auf Korsika: Auf den ersten Blick scheint der Spargel ein wild wucherndes Gewächs oder Unkraut zu sein, doch diese buschartige Pflanze, die bis zu zwei Meter hoch werden kann, verbirgt dann die sprießende so sehr gesuchte Knospe in ihrem Inneren oder man kann die Sprosse auch einen Meter weiter von der Pflanze finden. Der Spargelkeim kann zart bis tief grün sein, aber auch bis ins Dunkelviolett übergehen. Die wilden Spargelsprossen sind ca. 5 – 7 mm dick, also im Vergleich zum weißen Spargel eher dünn, und können bis zu einem Meter hoch in den Himmel schießen.

Wie erntet man den Spargel: Die beste Erntemethode ist, ihn ab der Hälfte seiner Gesamtlänge leicht zu biegen. An der Stelle, wo er von selbst mit einem frischen Knack abbricht, hat man den essbaren Teil geerntet, etwa von der Spitze ca. 20 – 30 cm.


Diese Woche geht es weiter mit drei leckeren Rezepten für die Zubereitung von wildem korsischem Spargel!


Vielen Dank für Ihr Interesse,

herzlichst,

Miluna

Montag, 21. Februar 2011




Eine kleine Anekdote zur Praxis des Occhjiu auf Korsika

Heute möchte ich Ihnen eine kleine Anekdote zum Thema der vergangenen Woche , der Praxis des „Occhjiu“ (des Exorzismus gegen einen auferlegten Fluch) erzählen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen … Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna

Vor zirka sechs Jahren arbeitete ich als Haushaltshilfe bei einer alten Dame. Eines Morgens als ich bei ihr ankam, schaute sie mich durchdringend an, dann fragte sie, ob ich irgendwelche Beschwerden hätte, Kopfschmerzen, Fieber o.a. Ich war ein wenig erstaunt, dann fragte ich wieso und sie antwortete mir, dass sie spüre, dass jemand einen Fluch l’oghjiu » gegen mich oder gegen jemand in meiner Familie geworfen hatte.
Ich wurde bleich, dann erzählte ich ihr das mein Töchterchen, damals 2 Jahre alt, seit fast einer Woche Fieber hatte, sich schlapp und müde fühlte und ständig gähnte, tagsüber und nachts viel weinte und kaum schlief, aber keinerlei Anzeichen von einer Krankheit aufwies. Die Kinderärztin hatte sie von oben bis unten durchgecheckt, sogar Blutproben genommen, Urinproben gemacht und nichts, rein gar nichts gefunden!
«Aha» sagte die Dame, „ich habe mich also geirrt, es hat Ihre Tochter erwischt, jemand hat ihr einen Fluch geschickt. Wenn Sie möchten, führe ich das Ritual durch, um sie davon zu befreien. Bringen Sie sie mir noch heute Nachmittag vorbei und wir werden sie von ihrem Übel befreien“.
Gesagt getan, gegen 14.00 Uhr kam ich mit meiner kleinen Fee bei ihr an. Sie fing gleich an zu weinen, war rot, verschwitzt und heiß, hatte trotz der Medikamente fiebrige glasige Augen, war zappelig und nervös, was gar nicht ihre Art war. Die liebe Sigadora lud uns ein sich in ihrem Ritualsraum niederzulassen vor einem runden tiefen Tisch auf großen Kissen, wo schon die Öllampe und der Teller mit Wasser standen. Sie setzte sich uns gegenüber, fragte nach dem Namen meiner Kleinen und begann das Ritual. Nachdem sie das Öl eingeträufelt hatte, beobachtete ich mit Staunen die Öltropfen, die aufgingen und sich überall verteilten. “Na das war ja klar“, sagte die Signadora und begann mit dem Antifluchritual. Mein Töchterchen schien sich schon zu beruhigen und schaute wie hypnotisiert auf die tanzenden Öltropfen. Es dauerte noch eine Weile, dann war es vorbei und die Sigadora rief erfreut „na wie fühlst du dich, meine Kleine?“ Mein Töchterchen schaute lachend auf, ihr Gesicht hatte eine normale Farbe angenommen, ihre Augen strahlten klar und gesund – ich fasste an ihre Stirn, die nicht mehr glühte …
«Es hat geklappt, sie ist befreit und wieder gesund! Ich danke Ihnen von Herzen, aber wissen Sie wer meiner Kleinen einen Fluch auferlegt hat und warum?» Sie schaute wie durch mich hindurch und erklärte es seien Neider und schlechte schwarze Seelen in dem Dorf in dem ich wohnte. Sie gab mir einen kleinen Talisman, den ich meiner Töchter umhängen sollte, um sie vor neuen Angriffen zu schützen. Den trug sie dann auch und ich habe mir ebenfalls einen zugelegt.
Man sollte auf Korsika einen tragen, denn leider stößt man oft auf Neider und schlechte schwarze Seelen, wie überall auch …

© Miluna Tuani – Februar 2011

Samstag, 19. Februar 2011




Korsische Hausmann Rezepte und Hausfrauenleckereien: heute gibt es Pot au Feu auf Milunanesische Art

Ein Pot au Feu ist eine Art Eintopf aus in Soße gegarten Fleischstücken (meist Rindfleischstücke mit Knochen, Bourgignonstücke und Gemüse im Ganzen im Sud gegart, die dann in einer großen Schüssel serviert werden. Die Fleisch und Gemüsestücke werden dann in eine Knoblauch-Mayonnaise getunkt (Aioli), die Soße wird mit Fadennudeln aufgekocht und entweder als Vorspeise oder nebenbei serviert. Es ist ein Rezept für kalte Tage, genau das richtige bis Ende Februar!

Hier stelle ich Ihnen meine Variante vor, die aus meiner eigenen kreativen Küche stammt und vor allen Dingen bei jungen Testpersonen (sprich meinen Kindern) sehr gut ankommt und bis auf die letzte Karotte verspeist wird.

Pot au Feu auf Milunanesische Art
Zutaten für ca. 4 Personen


4 Karotten
4 Kartoffeln
4 große Gemüsezwiebeln
4 Navet
4 Knoblauchzehen
4 Stangen Stangensellerie
8 dicke Lauchstangen
1 Gemüsebrühwürfel pro Liter Kochwasser für das Gemüse (für 4 Personen ca. 2 Liter Wasser = 2 Brühwürfel). Falls Sie Rindfleischgeschmack mögen, dann Rindbrühwürfel verwenden.
3 große Fleischstücke pro Person (Rind- oder Kalbfleisch oder Gemisch aus beiden in Gulaschstückchengröße)
1 Hähnchenkeule pro Person (oberes Keulenteil)
1 Dose geschälte Tomaten
1 kleine Dose Tomatenmark
Olivenöl
Kräuter der Provence (oder korsische Gewürzkräuter)
Einige Lorbeerblätter
1 Glas korsischen Rotwein z.B. Gaspa Mora
1 EL Zucker
3 EL Rotweinessig
200 g Fadennudeln

Zubereitung
Das Wasser zum Kochen bringen und Brühwürfel darin auflösen. Währenddessen das Gemüse waschen und schälen, vorsichtig in das kochende Wasser einlegen und bei abgedecktem Deckel bei geringer Stufe garen, um die Vitamine zu bewahren. Karotten und Kartoffeln sollten weich aber bissfest bleiben, Lauch eher weich!. Währenddessen die Fleisch- und Hühnchenteile in Olivenöl von allen Seiten braun anbraten, salzen und pfeffern. Kräuter und gehackte Knoblauchzehen hinzugeben und in Öl anbraten. Mit 1 Glas Rotwein z.B. Gaspamora aufgießen, mit dem Zucker und dem Rotweinessig abschmecken. Die geschälten Tomaten zu geben und zu einer dickflüssigen Soße einkochen lassen, eventuell 1 TL Tomatenmark dazugeben. Währenddessen das gare Gemüse mit einem Schaumlöffel aus der Bouillon heben, abtropfen und warm stellen. Die Bouillon wieder zum Kochen bringen und die Fadennudeln einschütten und weich kochen. Die Bouillon als Vorspeise servieren. Dazu passen gut Knoblauchcroûtons (gegrillte Baguettescheiben mit darauf geriebenem Knoblauch)! Das Fleisch in der Soße zum Gemüse in getrennten Schüsseln servieren. Das Gemüse in die chutneyartige Soße tunken und zum Fleisch genießen.

Guten Appetit und viel Spaß beim Nachkochen!










© Miluna Tuani

Freitag, 18. Februar 2011




Musik aus Korsika: Die korsische Frauengruppe Soledonna

Heute möchte ich Ihnen eine korsische Frauengruppe vorstellen. Es handelt sich um das Trio Soledonna, das unter anderem auch Les Nouvelles Polyphonies Corses repräsentiert.
Über Kommentare würde ich mich sehr freuen …

Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna



Auf der Insel der Schönheit gehört die traditionelle aber auch moderne korsische Musik zum Leben, wie die Luft zum Atmen. Sie erzählt von der Liebe, dem Leiden und der Freiheit.
Frauen wie Männer singen mit Leidenschaft über die Liebe, ihre Insel, ihre Kultur und ihre Geschichte.
Die starken ausdruckvollen Männerstimmen der polyphonen Gesänge (Paghjelle, Voceri, Lamenti) verbreiten sich weit über die Berge hinaus, hallen über die von dichter Maquis bedeckten Hügeln, bis hin in die Ebenen, um unsere Herzen und Seelen zu nähren.
Die polyphonen Gesänge der Frauen und Frauengruppen existieren erst seit den 1990-er Jahren, fast zwanzig Jahre nachdem die polyphonen Männergesänge die Tradition der Insel wieder haben aufleben lassen.
Eine dieser Frauengruppen ist das Trio Soledonna, das sich aus Patrizia Poli, Patrizia Gattaceca und Lydia Poli zusammensetzt. Das Trio repräsentiert unter anderem auch die Nouvelles Polyphones Corses.

>> Mehr über Patrizia Poli, Gründerin der Nouvelles Polyphonies Corses und derGruppe Living in Texas

>> Patrizia Gattaceca hören

>> Les Nouvelles Polyphonies Corses hören

© Miluna Tuani



Donnerstag, 17. Februar 2011




Korsikas Februarwolken & Korsischer Efeu

Heute möchte ich Ihnen zwei weitere Gedichte von mir aus & über Korsika vorstellen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen …Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna


Korsikas Februarwolken

Schweres düsteres grau
unter leichtem hellem blau
über müden Wintergrün,
im Februar die Wolken
langsam herüberziehen …

© Miluna Tuani – Februar 2010



Korsischer Efeu

Hoch an der Mauer
schlängelt sich Efeu hinaus,
in des Himmels Blau
in sattem Immergrün
Frühling,
Sommer
und auch Herbst
Im Winter tut es blühen,
seine weißen Blüten
duften betörend süß,
Honigfein,
sanft lullen sie
meine Sinne ein …

© Miluna Tuani – Februar 2009

Mittwoch, 16. Februar 2011




Inferno am Fium Alto

Heute möchte ich Ihnen meine Kriminalerzählung « Inferno am Fium Alto » vorstellen. Der Kurzkrimi erschien im Mai 2010 im Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen … Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna



Diese Kriminalerzählung ist im Rahmen meines Fernstudiums «Autor werden, schreiben lernen», dass ich 1993 kurz nach meiner Wiederankunft auf Korsika absolviert habe, entstanden.
Als Hausaufgabe musste ich einen Krimi abliefern, aber das fiel mir überhaupt nicht leicht, da ich dieses Genre überhaupt nicht mag, weder als Leser, noch als Autor. Doch wie immer, brauen sich meine Geschichten in meinem Geist zusammen, wenn sie nur genügen Anregung von Außen und auch von Innen (also von meinem inneren Seelenzustand) erhalten.

Ende 1993 zog ein enormes Unwetter in dem Fium Altu Tal, in der Ampugnani Gegend, im Nordosten Korsikas auf. Drei Tage und drei Nächte goss und schüttete es durch. Sturm, Hagel, tosendes Gewitter verwüstete das schöne grüne Tal der Mittelgebirgsgegend und ließ den Fluss über die Ufer treten, so arg, dass er alles mit sich riss und zerstörte.
Ich lebte damals auf einem Campingplatz und auch in meinen ärgsten Alpträumen hätte ich mir nicht vorstellen können, dass dieses unscheinbare Flüsschen so außer Rand und Band geraten kann: Campingwagen wurden weggetragen, Stromleitungen umgerissen, Bäume entwurzeln und meinen Wagen (ein schicker Opel Kadett Corsa special edition) erwischte es auch. Er lief voll, wurde weggeschwemmt, vor meinen Augen, saß dann aber irgendwo auf … ebenso wie mein Mobilhome. Es war schon bis zur Hälfte mit Schlamm und Wasser angefüllt, doch ich stürzte mich in die Wassermassen, um mein Handycomputer, meine Disketten mit meinen Romanen u.a. zu retten. Meine Wirtin rief mir hinterher, das alles sausen zu lassen, doch auf dem Rückweg zum Haus, in der Mitte des Campings, inzwischen umgeben von reißendem strömenden Wasser, entdeckte ich auf einmal meine Hündin Shiwa, die kläffend in die Fluten sprang und einer Art Wassergans hinterher jagte. Ich legte schnell meine Sachen im Haus ab und stürzte ihr hinterher, sie rufend, aber sie war nun mal so eine Art Vogeljagd-Hundmischung. Sobald sie ein vogelartiges Wesen entdeckte, flippte sie aus und musste es haben. Sie sprang immer weiter in Richtung des tosenden Hauptstroms. Sollte sie dort reinstürzen, würde ich sie nie wieder sehen! Ich watete ihr nach, rief sie, lockte sie, holte sie ein wenig ein, schnappte sie am Schwanz als sie sich umdrehte und zog sie zu mir heran. Sie bellte aufgeregt weiter, doch der Vogel flog auf und davon und ich umklammerte die zappelnde Hundedame, lud sie auf meine Schultern und stakte schwankend völlig durchnässt zurück zum Haus. Es wurde dunkel und neblig, das Wasser stieg immer mehr an, ein Steinsbrocken stieß gegen mein Schienenbein, ich taumelte vor Schmerz, biss aber die Zähne zusammen, krallte meine Finger in Shiwas Fell und mit letzter Kraft kamen wir am Haus an.
Meine Wirtin erwartete mich mit Decken, die sie mir umlegte, die Hündin sperrte sie im Flur ein. Sie war außer sich und schrie mich schroff an, was ich mir wohl dabei gedacht hätte! Mein Leben aufs Spiel zu setzten, für ein Tier!!! Ein Tier? Shiwa war meine süße Hundetochter, um nichts auf der Welt hätte ich sie im Stich gelassen. Diese Rettungsaktion wurde dann von meiner Wirtin in der ganzen Gegend verbreitet und alle schauten mich an, als sei ich ein frisch gelandetes E.T. Einige sagten ich sei total verrückt, andere extra mutig u.s.w. Die Schwester meiner Wirtin wollte sogar den Corse Matin kommen lassen, um eine Reportage über meine Rettungsaktion zu schreiben, aber das war mir dann doch zu viel …

Aus diesem Erlebnis ist dann die Krimierzählung „Inferno am FiumAlto“ entstanden. Erlebtes gepaart mit einigen fiktiven Ereignissen, doch sagen wir mal, die Geschichte ist zu 80 % wahr: Personen, Handlung, Geschehen, Ort, alles ein wenig abgewandelt natürlich, aber doch nah an seinem Ursprung. Nach der Katastrophe war wirklich eine junge Frau in der Gegen verschwunden, aber leider hat man sie oder ihre Leiche nie wieder gefunden … nur ihr vom Strom weggerissenes Auto – fast am Meer wo der FiumAltu mündet.

Hier nun zur Geschichte: Inferno am Fium Altu

In dem grünen Tal der Mittelgebirgsgegend « Castagniccia » auf Korsika fließt der Bergfluss Fium-Altu. Ende Oktober steigt er nach drei Tagen lang anhaltenden Regenfällen so gefährlich an, dass er die Bewohner in ihren anliegenden Behausungen gefährlich bedroht. Während sich dieses Wetterchaos zu einer Naturkatastrophe entwickelt, wird eine junge Frau vermisst. Ist die verschollene Serena Opfer der Flusskatastrophe geworden oder hat sich jemand ihrer, Dank der strömenden Fluten, entledigen wollen? Maddalena Pieraccini, eine junge Kriminalkommissarin, macht sich auf ihre Suche, und wird dabei in mysteriöse Angelegenheiten verwickelt, die ihr beinahe selbst das Leben kosten …

Ich habe mit meiner Geschichte am Krimiwettbewerb von bookrix teilgenommen und mit ihr den zweiten Platz gewonnen. Inferno am Fium Altu ist in der Anthologie „Der Mörder geht ins Netz » in der Verlagsgruppe Monsenstein und Vannerdat im Frühjahr 2010 erschienen.

Hier geht es zur Rezension der Redaktion Korsika.fr

Hier der Link zu Amazon, wo Sie das Buch bestellen können

© Miluna Tuani

Dienstag, 15. Februar 2011




Riten und Bräuche aus Korsika – Legenden und Traditionen: Die Praxis des l’Occhjiu

Die Praxis des “l’Occhjiu” (des Exorzismus gegen einen auferlegten Fluch) ist auf Korsika eine Tradition die auf tausend Jahre zurückgeht und von Generationen zu Generationen, hauptsächlich von Frauen, überliefert wurde und immer noch wird.
Es ist eine Art Ritual, mit einer Predigt, die man nur in der Weihnachtsnacht erlernen und überliefern kann.
Es gibt mehrere Überlieferungen dieses Rituals und auch jede Predigt ist unterschiedlich, aber der Zweck ist der selbe bei allen: Es dient dazu, eine Person, die von einer Art Fluch heimgesucht wurde, davon zu befreien. Es gibt auch spezielle Ritualsformeln, die dazu dienen, Kopfschmerzen, Unwohlsein und allgemeine Erschöpftheit, unerklärte Müdigkeit zu beseitigen, da diese Symptome oft Folgen eines unbemerkten Fluches sind. Auch können manche weise Frauen die dieses Ritual beherrschen größeren Wunden schneller zur Heilung verhelfen.
Einige Ritualsformeln sind spezifisch an ein Dorf gebunden und werden nur in der Familie von der Mutter an die Tochter, wie schon gesagt, in der Weihnachtsnacht überliefert. Normalerweise ist es die älteste Frau, oft eine Greisin, die das Ritual an ihre Töchter, Enkel und Urenkeltöchter sowie Nichten und Cousinen weitergibt.
Die älteste Adeptin dieses Rituals, nennt man die Signadore (die Signierende).



Das Ritual spielt sich folgender Massen ab: Im Dunkeln setzt sich die Signadora an einen Tisch vor eine Öllampe und einen tiefen Teller mit Wasser gegenüber der Person, die vom einem Fluch befreit werden möchte oder die testen möchte, ob man einen Fluch auf sie gelegt hat. Nach Anzünden der Lampe beginnt das Ritual. Sie rezitiert mehrere Formeln in einer Art Gesangspredigt, aber so leise, dass man sie weder verstehen noch hören kann. Dann lässt sie einige Tropfen Öl in den Teller mit Wasser fallen. Wenn die Tropfen Öl rund und klein bleiben, liegt keinerlei Fluch auf der Person. Im Fall dass die Tropfen sich auflösen und zu Formen zerfließen bedeutet das, dass auf der Person ein Fluch liegt, der sie krank macht.



Die Signadora macht nun mehrere Kreuzzeichen unter dem Teller, während sie weiter ihre Ritualsformeln unhörbar spricht. Fühlt sich die Person nicht augenblicklich besser, muss eine zweite Signadora das Ritual wiederholen und ist danach auch keine Besserung eingetreten, kann eine Dritte ihr Glück versuchen … Aber meistens klappt es beim ersten Mal!
Also wer dieses Ritual erlernen will, sollte eine Signadora aufsuchen und sie um die Überlieferung in der Weihnachtsnacht bitten. Mir selbst wurde es oft angeboten, aber ich hatte zu Weihnachten selten Zeit, mich damit zu befassen. Aber ich werde es doch eines Tages machen …

© Miluna Tuani

P.S. Nächste Woche gibt es zu diesem Thema noch eine kleine Anekdote von mir!
Herzlichst,
Miluna











MontageFruculiBrigida
Caricato da OGRESSESTHEATRALES. – Guarda video esclusivi per il web

Montag, 14. Februar 2011




Das korsische Bauernfrühstück

Nach einer langen Wanderung quer durch die Höhen der Castagniccia, kehrten mein Vater und ich in der sogenannten Dorfbar eines Bergdörfchens ein.
Ein duzend Männeraugenpaare stierten uns an, als mein Vater „Grüss Gott » rief und sich dann einen Cap Corse und mir eine Orangina servieren ließ. Dann fragten wir, (das heißt, besser ich, denn mein Vater sprach kein Wort französisch, aber die Leute verstanden ihn dank seiner Handfusszeichenkommunikation meist gut) ob es eine Art « Auberge » in diesem Ort gäbe, in der wir uns bei einem deftigen Mahl stärken könnten.
Leider verneinte der Dorfbarwirt, aber er gab uns einen Tipp: Dort oben beim alten Joseph könnte man gut speisen und er und seine Frau liebten es Vorbeikommende einzuladen und reichlich zu bewirten. Die anderen Bartresensteher grienten sich untereinander an, doch mein Vater dankte freundlich, schluckte seinen Cap Corse runter und dann stiegen wir die hohen Treppen hinauf zum Haus von Joseph.
Fast außer Atem in den höheren Gefilden des Dorfes angekommen, schob mich mein Vater wie immer vor. Ich fasste Mut, stieß das eiserne Tor von der Terrasse auf und wir traten vorsichtig ein (vorsichtig wegen der Gefahr, von einem Wachhund angegriffen zu werden). Doch es blieb still, wir liefen unter der grünen Weinpergola bis hin zur Tür des alten Steinhauses und klopften an. „Herein », rief es in korsisch und mir wurde mulmig, ich mochte es einfach nicht, so bei den Leuten einzukehren. Ich schob die Tür beiseite und wir traten in den kühlen Hauptraum des Hauses ein.
Am großen Esstisch neben dem Kamin saß ein älterer Mann, und schälte gerade Kartoffeln. „Verzeihung dass wir Sie stören, der Wirt der Bar hat uns ihre Au – au – berge empfohlen“, stotterte ich – fügte aber weiter hinzu: „er sagte uns, Sie servieren leckeres Hausmannsessen … und da wir gerade auf der Suche nach einer Auberge sind … also… » „Immer reinspaziert, junges Fräulein und der Herr … setzt Euch, nehmt Platz, ich serviere euch gleich einen Aperitif! Angele komm, wir haben Besucher, leg noch zwei Teller auf!“ Wir setzten uns dankend und begrüßten seine Frau, die mit Geschirr beladen auf uns zu kam. Sie begrüßte uns herzlichst und deckte dann den Tisch. Joseph holte aus dem Küchenschrank eine Flasche klaren Obstschnaps und goss uns Beiden ein. Ich wusste, dass ich nicht ablehnen durfte, es würde wie eine Beleidigung gelten … also hob auch ich zum Trunk an. „Auf Euer wohl liebe Besucher, salute! » « Auf Ihres ebenso, salute! » wiederholten mein Vater und ich, und wir schütteten den beißenden Aquavita herunter. Ich musste mich beherrschen nicht loszuhusten, da die Flüssigkeit heiß beizend in meinem Rachen brannte.
Der alte Mann brachte seiner Frau die Kartoffeln und machte sich nun selbst in der Küche zu schaffen. Inzwischen kam sie zu uns und setzte sich mit einem Glas Wasser an den Tisch uns gegenüber und stellte uns haufenweise Fragen. Ich dolmetschte zwischen den Beiden hin und her, die über alles und jenes redeten. Dann endlich war das Essen fertig: Joseph servierte Tomatensalat aus frischen Gartentomaten mit Gartenkräutern, selbst angebaut, mit Olivenölzitronendressing aus der eigenen Herstellung, Aufschnittplatte mit Lonzu, Salciccia und Prisuttu, von den eigenen Hausschweinen, dazu selbstgebackenes Bauernbrot als Vorspeisen. Wir ließen es uns schmecken, es war ausgezeichnet und echt lecker. Dann als Hauptspeise servierte Joseph eine Art Bauernfrühstück: Bratkartoffeln und Zwiebeln in ausgelassener Panzetta knusprig gebraten, also mit Speck, und darunter frische Eier aus dem eigenen Hühnerstall gemischt und das alles mit gehackter Petersilie verziert! Mein Vater bemerkte „Na das schmeckt ja wie bei Muttern. Bei uns wurde das immer als Bauernfrühstück serviert, meine Urgroßmutter baute auch alles selber an und ich schwöre, seit meiner Kindheit habe ich nicht mehr so ein authentisches Gericht genossen … ist schon unglaublich, wie weltweit sich die Rezepte ähneln. Zwischen Rochlitz und diesem Dorf liegen immerhin fast 1200 km! Frag ihn doch mal, ob das ein traditionelles korsisches Rezept ist?“ Ich fragte ihn und er antwortete uns im akzentreichen aber doch gut verständlichen deutsch: „Nein, das ist kein traditionelles Gericht von hier. Das habe ich zubereiten gelernt, als ich Krieggefangener in Deutschland war. Ich arbeitete als KOCH auf einem Bauernhof mit einer Auberge! Aber hier bei uns nennt sich das „Korsisches Bauernfrühstück.“ Na, da waren wir aber überrascht … und alle lachten wir freudig zusammen.
Als Nachspeise wurden wir mit leckerem Ziegenkäse, auch aus eigener Herstellung, bewirtet. Dazu reichte man uns Walnüsse aus dem Garten, wenn auch vom letzten Jahr, ein reiner Genuss, so wie eine hausgemachte Feigenmarmelade zum Käse, rote und weiße Muskatweintrauben von der Pergola draußen und roten Landwein – kaum zu glauben, aber auch aus der Bioproduktion von Joseph.
Wir schafften es fast nicht den Teller leer zu essen und er tat uns noch weiter auf. Aus Höflichkeit verschlungen wir alles – außerdem war es auch einfach zu gut, um es stehen zulassen. Dann gab es noch einen Klaren AquaVita als Magenbitter, den wir dringend notwenig hatten und heißen Café mit von Angele selbstgebackenen Fritelle (süße Krapfen). Zu gesättigt, hatte ich Lust eine Siesta zu machen … doch während Joseph und mein Vater diskutierten, (wie auch immer, sie verstanden sich irgendwie) und er ihm eine Dicke (selbstgerollte?) Zigarre anbot, zeigte Angele mir das Haus, den Garten und die Tiere bei einem kleinen Verdauungsspaziergang.
Schließlich wollte mein Vater nach der Rechnung fragen, aber Joseph winkte ab, er würde liebe Freunde wie uns nicht unter Bezahlung bewirten, bei ihm sei jeder herzlich willkommen … und er würde sich freuen, wenn wir bei unserer nächsten Reise wieder vorbei kämen.
Wir bedankten uns herzlichst und versprachen ihm, beim nächsten Mal wieder vorbei zu schauen.
Zufrieden gesättigt und angeduselt vom reichen Wein und Aquavita « rollten » wir runter zum Auto.

Nachwort
Leider haben wir Joseph und Angele nicht wieder gesehen. Bei unserer nächsten Reise im Winter, wohnten sie in der Stadt und im Frühling erfuhren wir mit großem Bedauern, dass sie kurz nacheinander verstorben waren. Welch ein Unglück! Nun bewohnt einer ihrer Söhne das Haus, der aber ganz und gar nicht gastfreundlich sein soll …
« Damals » hätte ich auch nicht im geringsten daran gedacht, dass unsere lieben Gastleute die Eltern meines Zukünftigen waren, den ich einige Jahre später dort im Dorf kennen gelernt habe und mit dem ich dort ins Haus einzog, wo wir so gastfreundlich und reichlich bewirtet worden waren.

© Miluna Tuani
© Fotos: Michael Müller (3)

Samstag, 12. Februar 2011




Korsische Hausmann Rezepte und Hausfrauenleckereien: heute gibt es Lasagne auf korsische Art

Die hier vorgestellten Rezepte sind alle überliefert von den Tanten, Großtanten und Onkeln meiner Kinder.
Heute möchte ich Ihnen eines der Lieblingsrezepte von Großtante Gallilée vorstellen, mit dem sie unzählbare Genießerherzen jeder Altersgruppe höher schlagen ließ.
Bis zu ihrem 98 Lebensjahr stand sie hinterm Herd und brutzelte viele Leckereien für ihre Lieben, Freunde, Bekannte, Dorfbewohner u.v.a.
Eines ihrer beliebtesten Gerichte, das sie meist in familiärer Gemeinschaft servierte, ist die Lasagne auf korsische Art. Dabei handelt es sich nicht um einen Schichtnudelnauflauf aus dem Ofen, wie aus der italienischen Küche bekannt, sondern um ein Gericht aus gedünstetem Fleisch (Rind, Schwein, Kalb). Die Lasagnenudeln und Soße werden getrennt serviert und mit frisch geraspeltem korsischem Ziegenhartartkäse vor dem Genießen bestreut …

Lasagne auf korsische Art
Vorbereitung : ca. 30 Min.
Kochzeit: 2 bis 3 Std.
Zutaten für ca. 4 Personen

Für die Sauce:
– 1 großen Schinkenknochen
– 1 große dicke Scheibe (korsischen) rohen Schinken
– 12 kleine Gulaschstücke Rindsfleisch (Bourguignon)
oder/ und
– 12 kleine Gulaschstücke Kalbsfleisch (je nach Geschmack)
– 2 mittelgroße Karotten geschält und in Scheiben geschnitten
– 2 große oder 4 kleine gehackte Zwiebeln
– 2 große gehackte Knoblauchzehen
– 8 geschälte, entsteinte und in Würfel geschnittene mittelgroße Soßentomaten (Roma)
– 2 Gewürznelken
– getrockneter Thymian, Majoran & einige Lorbeerblätter
korsisches Olivenöl
1 Glas roten würzigen herben korsischen Landwein z.B. GASPA MORA
– schwarzer Pfeffer in Körnern und Salz

– 800 g Lasagnenudeln
– 400 g Getrockneten korsischen Ziegenhartkäse (Tom Corse oder Parmesano)

Zubereitung:
Das Fleisch, den Schinken und den Schinkenknochen im Olivenöl von allen Seiten anbraten, die gehackten Zwiebeln dazugeben und andünsten. Wenn das Fleisch gut von allen Seiten gebräunt ist, den gehackten Knoblauch unterrühren, ein wenig weiter dünsten, aber aufpassen, dass er nicht anbrennt. Nun die geschälten, gewürfelten Tomaten, die Karottenscheiben, die Gewürzkräuter und die Gewürznelken hinzugeben. Die Tomaten ein wenig in Öl anschmurgeln lassen, dann das Ganze mit ca. 1 Liter Wasser und 1 Glas Rotwein aufgießen. Salzen und pfeffern. Auf kleiner Wärmestufe ca. 2-3 Stunden köcheln lassen, bis das Fleisch weich ist. Ab und zu umrühren und Wasser sowie auch ein wenig Wein nachgießen, denn die Soße darf nicht zu sehmig werden, sie sollte möglichst flüssig bleiben! Wenn das Fleisch weich ist, mit einem Schaumlöffel aus der Soße heben. Soße und Fleisch getrennt warm stellen. Nun die Lasagnenudeln in kochendes Salzwasser ein Blatt nach dem anderen tauchen und weich kochen. Mit dem Schaumlöffel ein Lasagneblatt nach dem anderen herausheben und auf dem Boden einer Suppenschüssel oder hohen Auflaufform auslegen. Mit ein wenig geriebenem Käse betreuen, mit der Soße bedecken und so weiter schichten bis die Lasagneblätter verbraucht sind. Etwas Käse am Ende darüber streuen und mit dem Fleisch in einer anderen Präsentierschüssel oder direkt in einem tiefen Teller servieren: In eine Art Nest aus Lasagnes, Käse, Lasagnes, Sosse, Fleisch, nochmals Käse darüberstreuen …

Dazu frisches Landbrot und einen guten korsischen Landwein z.B. Gaspa Mora servieren.

Tipp: Als Vorspeise einen frischen grünen Salat der Saison mit Zitronen-Olivenöldressing und als Dessert zum Beispiel einen leckeren Fiadone.


Guten Appetit!











© Miluna Tuani

Donnerstag, 10. Februar 2011




Korsika im Winter: Insel der krassen Gegensätze

Heute möchte ich Ihnen eines meiner Gedichte aus & über Korsika vorstellen.
Es ist eine Liebeserklärung an die Insel in Wort und Bildern.
Über Kommentare würde ich mich sehr freuen …
Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna




Korsika im Winter
azur-blau der strahlende Himmel
türkis-blau das rauschende Meer
schwarz-blau die Seen
grün-weißlich die Flüsse
frisch saftig-grün die Felderdunkel-grün die Hügel bedeckt mit Macchia
braun überzogen
die Täler und Schluchten
von verwesendem Laub
grau die Äste der entblätterten Bäume
weiß – graue Nebelschwaden
hängen in den Bergen
dicke grau-weiße Wolken
halten sich dicht über den Gipfeln
starker Wind bläst
prasselnder Regen in der Ebene
Schnee fällt auf den Gipfeln
deckt sie zu mit schillerndem weiß
glitzernd wie Millionen von Diamanten
unter der gleißenden Sonne, heiß
die über der Insel erscheint,
in ihre Mittagsstellung
strebend…

© Miluna Tuani 22/01/2010





Musik aus Korsika: Ricordu von I Surghjenti

Heute möchte ich Ihnen einen Liedtext einer korsischen Gruppe mit Übersetzung auf Deutsch vorstellen. Es handelt sich um „Ricordu“ von I Surghjenti.



Über Kommentare würde ich mich sehr freuen …



Viel Spaß beim Lesen!



Herzlichst,

Miluna


I surghjenti aus Korsika
Die Gruppe wurde 1978 von dem charismatischen Autor und Komponisten Natale Valli gegründet, der auch heute noch die Texte für die Gruppe schreibt. Im Laufe der Jahre sind neue Stimmen und Musiker hinzugekommen, die fast alle aus der Region Alta Rocca, im Süden der Insel stammen. Heute besteht die Gruppe aus Guy Canarelli (Gesang und Gitarre), Pascal Morandini (Gesang), Jean-Paul Mangion (Gesang und Gitarre), Jean-Noël Profizi (Gesang) und Natale Valli.
I Surghjenti, was so viel wie „die Quellen des Ursprungs“ heißt, haben zwischen 1981 und 2010, elf Alben herausgebracht und treten mehrmals im Jahr live auf. Eine Gelegenheit, die man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man Korsikafan ist! Die Musik von I Surghjenti ist voller Emotionen, getragen von eindrucksvollen Stimmen … melancholisch und zauberhaft, wie die Insel selbst …


Ricordu … dieses wunderschöne Lied von I Surghjenti, wird oft als eins der schönsten Lieder überhaupt angepriesen … für mich ist es auch eindeutig mein Lieblingslied …





Ricordu von I Surghjenti



O ghjuventù passata

Zitedda luntana par sempri di mè

O passioni vultata

Amori o dannu dumani par mè



Dimmi induva sì

Chi possu fà quì

Senza tè

Dimmi induva sì

Sò solu cusì

Senza tè



O soli d’arrimani

Aceddu chi canta l’amori di l’avvena

O piovu di a mani

E pientà tamanta tristizia chì veni



Dimmi induva sì

Chi possu fà quì

Senza tè

Dimmi induva sì

Sò solu cusì



Senza tè



Erinnerung



Oh vergangene Jugend

Kindheit für immer vorbei

wiedergefundene Leidenschaften

Liebe oder Leiden,

was bringt die Zukunft für mich?



Refrain

Sag mir wo du bist

was kann ich hier tun

ohne dich

Sag mir wo du bist

ohne dich bin ich so allein 3x



Sonne schien gestern

heute singt der Vogel

über die Liebe von morgen

der Regen an diesem Morgen

verursacht schweres Leiden,

weckt starke Traurigkeit



Refrain

Sag mir wo du bist

was kann ich hier tun

ohne dich

Sag mir wo du bist

ohne dich bin ich so allein 3x









Eine kleine Anekdote zu I Surghjenti:

Mein Vater war ein echter I Surghjentifan, wogegen ich damals eher auf Gruppen wie I Muvrini u.ä. stand.

Aus dem korsischen Radio hatten wir einige ihrer Lieder aufgenommen, aber die Qualität war immer so schlecht, dass mein Vater einfach die Kassetten kaufen wollte, vor allen Dingen, die mit seinem Lieblingslied „Paesucciu“ (dt. Dörfchen, aus dem Album GRANA DI VITA, 1986).

In Bastia und Umgebung fanden wir aber diese Kassette im Handel nicht mehr, doch man gab uns den Rat, in Porto Vechjiu in einem Plattenladen nachzufragen, da die Gruppe aus der Gegend dort stammt.

Also machten wir uns auf den Weg in den Süden, im dortigen Plattengeschäft dann erklärte man uns, dass dieses Album im Moment im Handel ausverkauft sei, aber der Gründer der Gruppe stamme aus Muratellu und er betrieb dort die Dorfbar. Wir sollten doch einfach mal bei ihm selber anfragen, vielleicht könne er uns weiterhelfen.

Also gesagt getan, ab nach Muratellu, wo wir in die einzige Dorfbar einkehrten und ich mal wieder dolmetschen musste. Ich erklärte dem Herrn Wirt das Anliegen meines Vaters und er stellte sich als der Gründer der Gruppe vor. Er war ganz gerührt davon, dass wir von so weit herkamen und, dass wir seine Musik so mochten, vor allen Dingen „Paesucciu“, welches er ja selber geschrieben und komponiert hatte;. Er sagte uns, dass er ganz erfreut darüber sei, dass wir die korsische Kultur nach draußen tragen und versprach uns das Lied zu beschaffen, sobald er wieder ins Aufnahmestudio kam. Wir ließen ihm unsere Adresse da und nach rührendem Abschied, ging es zurück.
Wieder in Deutschland, bekamen wir nach 1 1/2 Monaten Post aus Korsika, ein Paket mit zahlreichen Kassetten, auf denen sich die ganzen Alben der Gruppe mit allen seltenen Liedern befanden … auch denen, die es überhaupt nicht mehr im Handel gab … Herr V. hatte noch einige Worte beigelegt „nochmals herzlichen Dank für die Verbreitung und die Anbetung unserer Kultur und Musik, herzlichst, N.V. ».
Mein Vater war überglücklich, und ich antwortete mit einem Dankschreiben, ich hoffe in verständigem Französisch. Tag ein Tag aus spielten wir die Kassetten ab ­ von denen ich noch mal Kopien machte, wegen ihrer Seltenheit und die Originale wie ein Huhn ihr Ei hütete …

1992 wurde mein Vater krank. Während er in der Klinik lag, erfuhren wir, dass I Surghenti bald ein neues Album rausbringen würde: SOTT’A U TURCHINU. Mein Vater bat mich, die Reise allein anzutreten und ihm das Album mitzubringen.
Vor Ort besorgte ich das neue Album, aber als ich die Kassette einlegte und die extrem schwer melancholischen, dramatischen Lieder vernahm, wurde mir mulmig … das klang wie ein Requiem, und es ist das Requiem für meinen Vater geworden, leider war ihm nicht mehr genug Zeit geblieben, um die neuen Lieder auch nur einmal zu hören. Auf seiner Beerdigung ließ ich sein Lieblingslied „Paesucciu“ ertönen, denn die neusten Lieder waren so schwer und traurig, dass sie mir fast den Verstand raubten …
Auch heute noch schnürt sich mir der Hals zu, wenn ich eines von ihren Liedern höre … aber wenn es mir so richtig schlecht geht, dann stelle ich sie extra an und alles bricht heraus … und endet mit Befreiung und Erleichterung …
… das nennt man „Musiktherapie“ …
…. danke Euch, liebe I Surghjenti …

© Miluna Tuani

Mittwoch, 9. Februar 2011




Gestern, Heute, Morgen … und was ist mit Vorgestern und Übermorgen?

Heute möchte ich Ihnen eine meiner neusten Kurzgeschichten vorstellen. Sie spielt natürlich auf Korsika und ist in das Genre der RealFiction einzuordnen. Über Kommentare würde ich mich sehr freuen … Viel Spaß beim Lesen!

Herzlichst,
Miluna


Kappentext von Gestern, Heute, Morgen … und was ist mit Vorgestern und Übermorgen? Eine RealFiction Kurzgeschichte von Miluna Tuani

Alisa arbeitet als Altenpflege in den Bergdörfern der Mittelgebirgsgegend Moïta Verde auf der Insel Korsika … Auf dem Weg zu ihrer Arbeit geschieht Unvorhergesehenes: das Bergdorf, in dem sie arbeitet, hat sich innerhalb einer Woche radikal verändert, und die Menschen, ebenso … nichts ist wie vorher… Ist Alisa in einem Albtraum gefangen oder leidet sie unter einem Delirium, folge eines Unfalls, der ihr auf dem Weg dorthin passiert ist?



Alisa zog die serpentinenreichen Kurven in das hochgelegenste Bergdorf der Gegend hinauf, nachdem sie ihre Kinder zum Schulbus gebracht hatte. Sie arbeitete als Urlaubsvertretung für eine Altenpflegeorganisation. Den ganzen Sommer über hatte sie von morgens bis zum späten Nachmittag in den Bergdörfern der Costa Verde im Mittelgebirge der Ostküste Korsikas bei hilfe-und pflegebedürftigen alten Leuten den Haushalt geführt.
Sie war schon etwas spät dran und gab Gas, als die Straße sich ein wenig entschlängelte. Sie durchquerte einen dichten Kastanienwaldhain, deren alte Bäume schwer mit unzähligen Esskastanien behangen waren. Es war Ende September und bald würde die Kastanienernte beginnen. Alisa bremste, vor ihr überquerten verwilderte Hausschweine die Straße und grunzten verärgert, als sie hupte, um sie zum Laufen zu bringen.
Alisa setzte ihren Weg fort und stellte laut das Autoradio an, ein Lied ihrer Lieblingsgruppe ertönte, gesungen von jemanden, der ihr sehr am Herzen lag, und mehr noch … seine Nähe brachte sie jedes Mal aus der Fassung. Er war wohl das wundervollste, liebevollste Wesen, das ihr je in ihrem Leben begegnet war.Er war so voller innerer und äußerer Schönheit, einem Engel, einer Gottheit gleich, so übernatürlich sanft und voller gebender Liebe. „…Ich bereue es so sehr, so sehr … “- schniefte sie unter Tränen in den Augen. Nie würde sie darüber hinwegkommen, dass sie vor einigen Jahren die Chance ihres Lebens vorüberziehen hatte, lassen; aber sie wusste, es nützte nichts der Vergangenheit hinterher zu hängen, und alte Tränen zu vergießen; sie hatte nicht das Recht sich von deprimierenden Gedanken unterkriegen zu lassen, sie musste das Leben meistern, um ihre Kinder großzuziehen: Obwohl es manchmal nicht leicht war, alleinerziehender Elternteil zu sein, ermunterte sie sich immer wieder und hielt sich ihren Vater als Mut gebendes Beispiel vor Augen: Er hatte sie auch allein erzogen und aus ihr einen braven, anständigen Menschen gemacht; warum sollte ihr das nicht auch mit ihren Kindern gelingen?
Sie wechselte den Musikkanal und fuhr zügig voran, bis sie an eine steile Biegung kam, die sie fast reifenquietschend, also ein wenig zu schnell, anfuhr, sodass ihr Wagen zur Seite schleuderte. Doch sie manövrierte ihn geschickt und brachte ihren Wagen wieder auf die schmale von Schlaglöchern besäte Straße, die mehr einer schlecht betonierten Piste, als einer befahrbaren Straße ähnelte. Auf dem geraden Stück vor ihr drehte Alisa dann wieder auf. Vor sich entdeckte sie eine große graue Gewitterwolke, wie aus dem Nichts auftauchen. Die Sonne versteckte sich unter dem schweren Grau. Alisa bemerkte vor sich auf der Straße ein waberndes Flimmern, einer Fata Morgana ähnlich. Sie wischte sich die Augen, dann die Windschutzscheibe, doch das Wabern blieb. Urplötzlich schlug ein feuriger Blitz aus der Wolke hinunter auf die Erde, er raste die Straße vor ihr entlang, genau auf ihr Auto zu. Sie wollte abbremsen, doch mit Entsetzen stellte sie fest, dass ihr Wagen nicht reagierte. Der Blitz schlug in ihren Wagen ein. Ein gewaltiges Zittern erfasste ihr Gefährt, während sie in scheinbar unmöglichen Tempo auf dieses glühende Wabern zuraste. In Alisa stieg Panik auf; von einem grellen Licht geblendet hielt sie ihre Hände schützend vor die Augen. Da spürte sie augenblicklich einen enormem Aufprall, gefolgt von einem Taumel aus tanzenden Lichtern, der sie unzählige Sternchen vor ihrem inneren Auge sehen ließ und sich mit tobendem Schwindel mischte, der sie überkam. Auf einmal vernahm sei eine ungeheure Stille und ihr Bewusstsein tauchte in totaler Dunkelheit ab …
Ihr Kopf fiel schwer auf das Lenkrad, an dem sich ihre Hände verkrampft festklammerten. Ihre Augen standen weit offen, doch sie starrten ins Nichts. Im Radio ertönte ein Lied von I Surghjenti: „E po mora“. An einer Stelle blieb das Stück haken und fing immer wieder von vorne an, unendlich lang, scheinbar oder Wirklichkeit? Nach einem scheinbar unendlichen Augenblick, erweiterten sich ganz plötzlich Alisas Pupillen, und Leben kam wieder in ihren Blick; sie hob müde den Kopf und versuchte sich zu orientieren; was war geschehen? Sie schaute nach draußen. Vor ihr fand sie die Straße, wie sie vorher wahrgenommen hatte; keine Gewitterwolke mehr, kein Wabern, kein grelles Licht, keine Bremsspuren, sie checkte ihr Gesicht im Spiegel ab, sie hatte keinerlei Verletzungen; sie stieg aus, prüfte den Wagen, aber nichts wies auf einen Unfall hin, sie blickte sich um, und entdeckte ein riesiges Kastanienbaumskelett hinter ihr auf der Straße liegen, aus der Richtung aus der sie gekommen war; ein Stück der Straße dahinter, war in einem Gesteinsrutsch in den Abgrund gestürzt. Alisa schüttelte den Kopf und dachte: „ Na, das ist aber komisch, ich habe den Baumriesen überhaupt nicht fallen sehen, aber was soll’s, scheinbar bin ich übermüdet, die Arbeit im Sommer war hart, die viele Rumfahrerei, die Schrubberei in der Hitze, die Ausflüge mit den Kindern und alles andere drum herum, und nun hab ich die Soße auszulöffeln, so oder so, mir bleiben noch zwei Wochen, dann ist mein Vertrag zu Ende. “Puh … so ein Mist, da muss ich ja den großen Umweg machen, um zurück zu mir zu kommen,“ – sie wischte sich den Schweiß von der Stirn; die Sonne brannte extrem grell auf sie herunter, zu grell für diese Jahreszeit. Anschließend stieg sie wieder ins Auto ein, und ließ ihren Wagen an, der erst ein wenig gurkte, dann aber ansprang. Im Radio lief noch immer, «E po mora«, und Alisa wollte den Sender ändern, doch in den anderen Frequenzen ertönte nur lautes unangenehmes Rauschen und Knacken, also stellte sie das Radio aus. Zügig, aber nicht schnell, setzte sie ihren Weg fort, bis sie in dem Bergdorf ankam, in dem sie bei zwei älteren Herren arbeitete; sie parkte ihren Wagen auf dem Dorfplatz, als der Glockenturm der Kirche gerade 10 Uhr schlug. Als sie ausstieg und ihren Wagen abschloss, vernahm sie ein langsam trauriges Glockenläuten aus dem anliegenden Nachbardorf. „Oh, eine Beerdigung…“ – Alisa schaute sich um, und war erstaunt, dass die Fensterläden der alten dichtanliegenden und aufragenden Steinhäuser alle verschlossen waren. Ein seltener Anblick in diesem sonst so belebten kleinen Bergdorf. Sie traf niemanden in den engen Gassen, die sie durchquerte, um zu dem Haus der beiden Herren zu gelangen, kein Hund und keine Katze begegneten ihr. „Die sind wohl alle zur Beerdigung ins Nachbardorf rauf, ist schon komisch, keine Autos, keine Tiere, keine Menschen, na, ich hoffe nur, die beiden alten Herren sind auch nicht auf und davon!“ – dachte Alisa, als sie an dem kleinen dreistöckigen alten Bauwerk ankam. Erstaunt bemerkte sie, dass die Bank vor dem Eingang fehlte, und die Fensterläden dunkelbraun gestrichen waren, vorher waren sie dunkelgrün. Auch eine der Baumranken war anscheinend eingegangen, und die Blumenbeete betoniert. „Unglaublich, was man für Veränderungen in einer Woche feststellen kann!“ – sinniere sie, dann klopfte sie an die Tür, „Herr Arrelghi, ich bin es Alisa, ihre Haushaltshilfe, sind sie und ihr Bruder zu Hause?“ Sie klopfte etwas stärker, dann hörte sie von innen ein leises “herein“. Sie öffnete die Tür und musste erst mal ihre Augen ans Dunkel gewöhnen. Sie entdeckte den alten Mann eingesunken und mit eingefallenen, vergrämtem Gesicht auf seinem großen Sessel sitzend. Er schaute müde in ihre Richtung, doch als er sie eintreten sah, riss er die Augen staunend auf und ihm blieb der zahnlose Mund offen stehen. „Mutter Maria“, hauchte er und bekreuzigte sich, den Blick immer noch wie unter Schock auf sie gerichtet; die Augen rot vor getrockneten Tränen. „Herr Arrelghi, geht es ihnen nicht gut, Sie machen den Eindruck, als wären Sie krank, Sie haben sich so verändert, soll ich Dr. Parinelli anrufen?“ Alisa ging zum Fenster und öffnete die Läden; Licht drang ein und der alte Mann kniff die Augen zu. „Dr. Parinelli, aber der ist schon vor zehn Jahren verstorben…“ „Ahm, ach, ich sprach von Dr. Jean-Emanuel, nicht von seinem Vater!“ entgegnete sie. „Ja, Jean-Emanuel ist vor zehn Jahren verstorben, sagte ich doch,!“ „Ah, ok, also es tut mir leid, dass ich ein wenig spät dran bin, aber ich hatte einen kleinen Unfall, ein Baum ist umgestürzt und ich hatte vor Schreck scheinbar das Bewusstsein verloren, also soll ich wie gewöhnlich mit dem Fegen oben in den Schlafzimmern anfangen?“ Der Greis schüttelte den Kopf. « Das letzte Mal das eine Haushaltshilfe hier vorbeikam, das war vor über zwanzig Jahren, wer sind sie? Ich habe sie für einen Augenblick für SIE gehalten, für meine arme liebe Alysa, hören sie die Glocken?“ Alisa stutzte, bemühte sich aber, ihr Erstaunen nicht anmerken zu lassen. „Ja…ich höre die Glocken … Dem alten Mann stiegen die Tränen in die Augen, „Sie läuten für meine arme geliebte Alysa, sie wird heute zu Grabe getragen, meine einzige immerwährende Liebe …“ „Oh, das tut mir ja so leid, mein herzlichstes Beileid, ich wusste nicht, dass Ihre Gattin noch lebte, Sie haben mir nie etwas davon erzählt!“ Der alte Mann schüttelte wieder den Kopf, „Nein, wir waren nie verheiratet, ich liebte sie lange Jahre lang, ohne dass ich ihr jemals offiziell meine Liebe gestehen konnte; sie hat es ihrerseits versucht, mir ihre Liebe zu gestehen, aber ich war nicht in der Lage, darauf einzugehen, unfähig, meine Gefühle zu meistern … Ihre Nähe brachte mich jedes Mal aus der Fassung, so vergingen die Jahre, voller Sehnsucht nach ihr, versteckte, unterdrückte Gefühle, sie war das wundervollste, liebevollste Wesen, dass mir je in meinem Leben begegnet ist, sie war so voller innerer und äußerer Schönheit, einem Engel, einer Göttin gleich, so übernatürlich sanft und voller gebender Liebe, ich bereue so sehr, so sehr, so sehr und jetzt ist sie gegangen, es ist nun zu spät, zu spät …“Der alte Mann begann hemmungslos laut zu schluchzen, stützte sein Gesicht in seine faltigen Hände. Alisa wurde bleich vor Bestürzung und Mitleid. „Herr Arrelghi, es tut mir ja so leid, wie kann ich Ihnen nur helfen? Ich weiß, es gibt keinen Trost für den Verlust eines so geliebten Menschen, aber seien sie getrost, sie wusste sicher dass Sie sie lieben und Sie werden sie immer in ihrem Herzen tragen … ewige Liebe stirbt nie und existiert über den Tod hinaus …“ Alisa war ein wenig erstaunt über ihre Worte und der Greis schaute aus seinen von Tränen rot verweinten glasblauen Augen entgeistert zu ihr auf … « Ich wusste, sie sind eine Botschafterin, ja, ich werde ihr bald folgen … und sie werden mich sicher geleiten, nicht wahr, sie sind Alysas Geleitengel, nicht wahr?“ „Herr Arrelghi, wenn Sie möchten begleite ich sie ins Nebendorf zur Beerdigung ihrer Liebsten … und wo ist Ihr Bruder, ist er zur Beerdigung gegangen, und warum hat er Sie nicht mitgenommen?“ „Mein Bruder? Aber der ist doch schon über vierzig Jahre tot!“ „ Wie bitte, Ihr Bruder war noch vor einer Woche hier!“ „Fräulein, ich bin vielleicht alt und vom Schmerz zerrissen, meine geliebte Alysa verloren zu haben, aber ich kann ihnen versichern, mein Bruder ist seit vierzig Jahren unter der Erde, nein, ich möchte alleine zu ihr gehen, scheinbar verstehen sie mich nicht … sie sind nicht der Begleitengel, ich weiß nicht, wer sie sind, und ob sie real sind oder nicht, ich fühle mich müde und möchte jetzt allein sein“…Er starrte sie wie scheinbar unter unerträglichen Schmerzen an und schüttelte den Kopf, „Ich werde zu ihr gehen, wenn alle Leute weg sind … „Ich verstehe, möchten Sie, dass ich Sie hinbegleite, Sie wollen doch nicht zu Fuß ins Nachbardorf gehen …“ „Na wie dann sonst, Fräulein? Gezäumte Esel mit Karosse besitzen nur die Reichen …“ „Esel? Nein, mit dem Auto, natürlich … » „Auto, es gibt noch Autos?“ Alisa seufzte. Scheinbar hatte der alte Herr aus Schmerz die Raison verloren, „Möchten Sie nun, dass ich Sie hinfahre, oder nicht?“ „Nein, die Beerdigung ist noch nicht zu Ende … » „Wie Sie möchten, ich lasse Ihnen meine Handynummer hier, sollten Sie sich anders entscheiden, dann rufen Sie mich an, einverstanden?“ „Aber Telefon gibt es auch schon lange nicht mehr, seit dem letzten Weltkrieg … Alysa, wie sie meiner Alysa ähnlich sehen, es ist schon eigenartig, vielleicht sind sie doch eine Art Weltkrieg …“ „Ich wäre geehrt, es zu sein, wenn das Ihnen Ihren Seelenschmerz erleichtern würde.“ Der alte Mann nickte und fragte sie leise: « Glauben sie, Alysa hat mich geliebt?“ Alisa zögerte, doch dann antwortete sie schnell: „Sicher, sicher, ich bin sicher, und sie wird Sie für immer lieben, öffnen Sie ihr Herz und Ihre Seele und Sie werden es spüren … » „Ja, ja, der alte Mann schloss versunken die faltigen Augen, dann rief er auf einmal fast freudig aus: « Ja, danke liebes Fräulein, ich danke ihnen, ja ich spüre es, ich spüre sie, sie ist da, ganz nah bei mir, bitte lassen sie uns nun allein, danke für alles …“ Alisa seufzte, nahm die Hände des alten Mannes, drückte sie fest, er schaute ihr fest in die Augen, da spürte sie ein eigenartiges Kribbeln, Bilder wirbelten wild vor ihrem inneren Auge, verursachten ihr starken Schwindel, als wäre sie in einen Sog aus Energie hineingeraten, der ihr fast den Atem raubte, der alte Mann klammerte sich nicht nur mit seinen Händen an sie, es schien ihr, als wollte er sie irgendwo mit sich reißen. Ihr Herz schlug ihr auf Hochtouren, doch sie machte sich sachte von ihm los, dann drehte sie sich auf dem Absatz herum und rief im Gehen „Leben Sie wohl! » und sie verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzublicken. Alisa eilte zu ihrem Wagen zurück. Sie wollte ihre Chefin anrufen, um ihr zu berichten, dass Herr Arrelghi sich in einem selig fragilen Zustand befände und die zuständige Krankenschwester so schnell wie möglich bei ihm vorbeisehen sollte, doch sie bekam keinen Kontakt, ihr Handy konnte keine Sendestation finden … also machte sie sich auf den Weg, folgte der Straße Richtung des Nachbardorfes, in dem gerade die Beerdigung der Liebsten des Herrn Arrelghi stattfand. Als sie dort ankam, wunderte sich Alisa, dass auch hier keine Autos geparkt waren, nur einige gezäumte Esel standen angeleint auf dem Kirchplatz, und andere warteten hufschabend vor ihren Karossen. Die Glocken begannen gerade wieder zu läuten und Alisa sah den Beerdigungszug aus der Kirche treten und in Richtung Campu Santu langsam hinaufschreiten. Alisa stieg aus und folgte dem Zug, einige Personen schauten erschreckt auf. Als sie sie entdeckten, rissen sie die Augen weit auf, wie schon Herr Arrelghi; sie tuschelten bestürzt untereinander, einige bekreuzigten sich, andere wichen ihr in Panik aus; das lag wohl an der willkürlichen Ähnlichkeit mit der Verstorbenen in jungen Jahren. Alisa reihte sich schnell hinten an, und versuchte, unauffällig zu folgen. Dann im Friedhof angekommen, begann der Priester die Liturgie zu intonieren, begleitet von traditionellen Paghjelle einiger Sänger aus dem Dorf, als der Eichensarg von den Familienmitgliedern, den Kindern, Enkeln und Urenkeln, Freunden und Bekannten der verstobenen in die Erde versunken wurde. Alisa stellte sich auf die Zehen, um die Zeremonie zu beobachten; sie schien einige Personen zu erkennen, die um den in die Erde gelassenen Sarg herumstanden, sie ähnelten Personen, besser Menschen, die ihr sehr nahe standen, aber nur um einige Jahre älter, die anwesenden Kinder glichen ihren Kindern – Alisa stockte der Atem. « Was geschieht hier nur, was machen meine Kinder dort bei der Beerdigung, bin ich verrückt geworden, oder was, nein, das sind nicht meine Kinder, sie ähneln den Meinen nur, das ist alles, und da, ist das nicht die Schwester meines Exmanns und ihre Tochter, nein das ist doch nicht möglich … » Alisa versteckte sich hinter einer alten Eiche, bis die Zeremonie beendet war und die Gruppe sich langsam auflöste; es schien eine lange Weile gedauert zu haben, dann ging sie endlich hinunter zum Grab und schaute auf eine der marmornen Steine … sie wurde augenblicklich kalkweiß wie die Friedhofsmauer; dort stand in goldverzierter Schrift, von Rosen und Herzen umrankt:


Hier ruht in Frieden unsere liebe Mama, Oma und Uroma …
und dann stand dort ihr eigener Name:


Alisa, Geneviève, Marina Verdante
ihr Geburtsdatum: 14. Februar 1970
und das Sterbedatum: 11. September 2065 …


«11. September 2 0 6 5? » dachte Alisa verstört. Und auf einmal drehte sich wieder alles vor ihrem inneren Auge; augenblicklich verlor sie das Bewusstsein und sackte vor dem frischen Grab leblos zusammen …
So fand der alte Herr Arrelghi sie, als er am Grab ankam. Er warf seinen Gehstock weg und ließ sich neben ihr ins dichte wilde Gras fallen, er nahm sie in die Arme und wiegte sie wie ein Baby … leise krächzte er: „Alysa, meine süße, liebe Alysa, ich habe sofort gespürt, dass du es bist, auch wenn es noch so unglaublich scheint, bitte lass es nicht ein zweites Mal zu spät sein, ich muss dir endlich mein Geständnis machen, Alysa, hörst du mich?“

© Miluna Tuani

Dienstag, 8. Februar 2011




Riten und Bräuche aus Korsika – eine Aufzeichnung in semi-lyrischer Form: Der Catenaccio

Am Karfreitag trägt der Catenaccio in Sartene auf Korsika das Kreuz Jesu auf dem Rücken durch die ganze mittelalterliche Stadt, dem Kreuzweg Jesu folgend, begleitet von den Gläubigen, die innig « Perdonu o mio Diu » (« Verzeih mir oh Gott ») singen und damit um Vergebung ihrer Sünden bitten …




SARTENE
Korsischste Stadt aller korsischen Städte
Schwere graue Wolken hängen über Sartène
Erste Regentropfen fallen
Melancholischer Reiz liegt über der Stadt
kein fröhlicher mediterraner Ort ist Sartène
die düsteren engen Gassen umsäumt von mehrstöckigen Häusern
aus dunklem Granit
mysteriöse Stadt, wie die Karfreitagsprozession selbst
am Hang des Monte Grosso,
im Tal der Rizzanese fließt …

Schon vor Einbruch der Dunkelheit sind die besten Plätze im Zentrum besetzt. Die Balkons in den oberen Stockwerken drohen unter der Last der vielen Menschen herabzustürzen, in den weit geöffneten Fenstern drängt sich Kopf an Kopf und auf den Brunnen und vorstehenden Dächern hängen Menschentrauben. Inzwischen hat es aufgehört zu regnen. Jetzt taucht der Vollmond Sartène ganz in gleißendes silbernes Licht. Um 21 Uhr 30 kündigt dumpfer Trommelwirbel und monotoner Klagegesang den Beginn der Prozession an. Kinder und Fotografen eilen dem Zug voraus. Wenn der Büßer auf der Bildfläche erscheint, geht ein Raunen durch die Menge.

Eine in blutiges Rot von Kopf bis Fuß gehüllte Gestalt
durch die Straße sie wankt
mit einem 50 Kilo schweren Holzkreuz auf dem Rücken
einer Eisenkette am nackten Fuß, 14 Kilo schwer
weitere acht, ganz in Schwarz gewandete Büßer ihr folgen
vor sich her eine Christusfigur tragend
ein Schwarm kostbar gekleideter kirchlicher und weltlicher Würdenträger, Messdiener und Honoratioren der Stadt das Schlusslicht bilden
U Catenacciu, der Rote Büßer schleppt sich weiter über das Pflaster …
Der Büßer stöhnt und droht zu stürzen
Der Weiße Büßer hinter ihm hebt das Kreuz leicht an
Er symbolisiert Simon von Kyrene, der, wie die Bibel berichtet,
Jesus als Einziger auf seinem Weg nach Golgatha geholfen hat, „sein Kreuz zu tragen »
Dreimal fällt der Catenacciu zu Boden erhebt sich wieder mit seiner Last …

Die Menge brandet weiter durch die Straßen und Gassen
endlich strömen sie hinein
in die bis auf den letzten Platz gefüllte Kirche
Santa-Maria Assunta.
Hier der Rote Büßer von seiner Last wird er befreit
Das Passionsfest endet mit einer feierlichen Messe …

Aufgezeichnet von Miluna Tuani
Karfreitag, 2009
© Miluna Tuani


Montag, 7. Februar 2011




Passt auf, wo ihr euch hinstellt … vor allen Dingen nachts!

Bevor ich mich auf der Insel nieder ließ, kam ich viele Jahre lang zum Urlaub her: zusammen mit meinem Papa verbrachten wir jede Winter-, Oster-, Sommer- und Herbstferien auf Korsika. Unser Domizil lag an der Ostküste, doch wir zogen kreuz und quer über die Insel, erkletterten die Gipfel, besuchten unsere Lieblingsorte, folgten Folkloregruppen auf ihren Tourneen – machten eben Urlaub.

Aber auch ein wenig Arbeit kam dazu, da mein Vater und ich in der Sternwarte und im Planetarium meiner Geburtsstadt tätig waren: wir fotografierten des nachts den Sternenhimmel, um u.a. unsere Diashowmaterialien anzureichern … Ich erinnere mich, dass wir einmal meiner damalige Lieblingsgruppe in Pedicroce in der Castagniccia gelauscht hatten, dann zogen wir ins Innere der Kastanienwaldgegend, um nach einem geeigneten Plateau zu suchen, um unsere Instrumente in den sternenklaren und vor allen Dingen mondfreien Himmel auszurichten.

Wir folgten einer verlassenen Straße die in einem sehr schlechten Zustand war. Auf der Karte hatten wir entdeckt, dass diese « Straße“ zu einem Plateau hinter zwei Dörfern führen sollte. Also passierten wir das erste Dorf, völlig im Dunkeln, kein Hund und keine Katze auf der Straße, dann folgten wir dem Weg, umrandet von alten verwucherten Kastanienbäumen, archaisch und von magischem Flair. Nach einer Weile passierten wir das zweite Dorf, oder eher, eine Anreihung von uralten Steinhäusern, schwarz in der Dunkelheit hoch aufragend und ein wenig unheimlich. Wir fuhren daran vorbei und da hörte man einige Hunde laut wild aufbellen. Ich stellte die korsische Musik im Autoradio lauter und stimmte sogar mit ein, ein wenig bei offenem Fenster.
Die Straße wurde immer schlechter und hörte auf einmal ganz auf: vor uns lag eine unbefahrbare Piste mit großen Schlaglöchern voll Matsch und Schlamm und einer Horde von großen, fetten, verwilderten Hausschweinen, die im Matsch mit ihren Rüsseln wühlten und mit wilden Augen grunzend und quiekend in die Scheinwerfer glotzten.

Mein Vater hupte einige Male und sie fingen an zu rennen und flüchteten in die anliegenden Wälder. Wir stellten nun fest, dass der Wald sich hier Richtung Süden lichtete und einen schönen Blick auf das Sternbild des Schützen freigab. Also stieg mein Vater aus und entschied unsere Geräte hier aufzubauen, um einige Schnappschüsse zu schießen. Ich lud das Material aus und im Scheinwerferlicht begannen wir die Materialien anzuordnen, mit denen der Kofferraum unseres Golfs voll war.

Auf einmal hörten wir wieder wildes Hundegebell, dass sich uns auch noch zu nähern schien. Ein wenig besorgt hielt ich mit dem Aufbau inne, schaute mich in die Richtung des Gebells um und sah im Scheinwerferlicht unseres Wagens eine Horde kläffender Hunde auf uns zu rennen. Ich rief meinem Vater zu, der sich gerade abgewandt hatte, um sich an einem Kastanienbaum zu erleichtern „Oh, ich glaube wir haben da ein Problem!“ Er drehte sich in die Richtung der bellenden Horde um, die gerade dabei war, uns mit fletschenden Zähnen und sabbernden Lefzen zu umzingeln. Soweit ich weiß, waren einige Römische Kampfhunde und gekreuzte Schäferhunde unter ihnen, die überhaupt keinen freundlichen Eindruck machten. Mein Vater rief: „Hallo ihr süßen Hündchen, nett euer Besuch, aber jetzt zieht ab, da wir arbeiten müssen!“ Ein riesiger bulldoggenartiger Koloss sprang knurrend auf ihn zu, als mein Vater eine Handbewegung in seine Richtung machte. Mein Vater blieb augenblicklich wie angewurzelt stehen und rief leise: „Wirf ihnen doch ein Stück von der Eselssalami hin, vielleicht hauen sie dann ab!“ – doch ich antwortete: „Oh sieh da, da kommen die Besitzer, anscheinend um sie zurückzurufen!“

Eine Gruppe von Männern näherte sich uns; sie waren alle in Jägerkluft gewandet, schwarzbärtig mit verwitterten Gesichtern, sehr grimmigem Blick und mit scheinbar geladenem Gewähren, Äxten, Sensen und Mistgabeln beladen (eine sogenannte Dorfarmee!). Sie stapften forschend auf uns zu, riefen die Hunde nicht zurück – die immer noch wild bellten – und warfen uns feindselige Blicke zu. Ich erhob das Wort in Französisch und erklärte, dass wir Hobbyastronomen auf Sternenphotofang seien und wir hier unsere Aufnahmen machten möchten. Als ich keinerlei Antwort bekam, nur noch wildere und feindlichere Blicke, da versuchte ich es noch mal auf korsisch, aber scheinbar kam mein exilkorsischer Akzent hinzu, denn die Männer schauten sich untereinander an, dann luden sie ihre Gewehre und begannen in die Luft zu schießen. Die Schüsse hallten donnernd in den anliegenden Bergen wieder. Ich flüsterte meinem Vater leise zu, der immer noch wie angewurzelt am Kastanienbaum mit offenem Hosenstall dastand „Ich glaube, die stört unsere Anwesenheit hier! Ist wohl besser, wenn wir abziehen!“ „Hast recht, und außerdem sind Wolken im Süden aufgezogen! Sag ihnen, dass sie die Hunde zurückrufen sollen, dann machen wir uns aus dem Staub! Das tat ich dann auch und erstaunlicherweise pfiffen die Männer die Hunde zurück und beobachteten uns missmutig, bis wir alles eingeladen hatten. Dann wendete mein Vater den Wagen fast auf der Stelle, da die Männer nicht vom Platze wichen. Endlich den Wagen in Abfahrtrichtung, gab mein Vater matschspritzend Gas und die Typen schrien uns einige unsaubere Schimpfwörter hinterher, wie „Scheißtouristengesinde“ usw. und schossen dazu noch einige Salven in die Nacht …

…das ist das einzige – so extrem fremdenfeindliche – Erlebnis, das mir in all den Jahren Korsikaurlaub geschehen ist … Die Castagniccia ist eben eine „ein wenig“ strenge und unbeugsame Gegend und des nachts sollte man sich nicht unbedingt in Dorfnähe herumtreiben … und schon gar nicht die gründelnden Schweinehorden vertreiben und nicht im Scheinwerferlicht an Kastanienbäume pinkeln oder wenigstens schnell wieder den Hosenstall schließen …

Herzlichst,
Eure Miluna Tuani

Text: © Miluna Tuani
Copyright Karte des Sternbilds Schütze: Torsten Bronger
Copyright Sternbild Schütze: Till Credner