Montag, 14. Februar 2011

Montag, 14. Februar 2011




Das korsische Bauernfrühstück

Nach einer langen Wanderung quer durch die Höhen der Castagniccia, kehrten mein Vater und ich in der sogenannten Dorfbar eines Bergdörfchens ein.
Ein duzend Männeraugenpaare stierten uns an, als mein Vater „Grüss Gott » rief und sich dann einen Cap Corse und mir eine Orangina servieren ließ. Dann fragten wir, (das heißt, besser ich, denn mein Vater sprach kein Wort französisch, aber die Leute verstanden ihn dank seiner Handfusszeichenkommunikation meist gut) ob es eine Art « Auberge » in diesem Ort gäbe, in der wir uns bei einem deftigen Mahl stärken könnten.
Leider verneinte der Dorfbarwirt, aber er gab uns einen Tipp: Dort oben beim alten Joseph könnte man gut speisen und er und seine Frau liebten es Vorbeikommende einzuladen und reichlich zu bewirten. Die anderen Bartresensteher grienten sich untereinander an, doch mein Vater dankte freundlich, schluckte seinen Cap Corse runter und dann stiegen wir die hohen Treppen hinauf zum Haus von Joseph.
Fast außer Atem in den höheren Gefilden des Dorfes angekommen, schob mich mein Vater wie immer vor. Ich fasste Mut, stieß das eiserne Tor von der Terrasse auf und wir traten vorsichtig ein (vorsichtig wegen der Gefahr, von einem Wachhund angegriffen zu werden). Doch es blieb still, wir liefen unter der grünen Weinpergola bis hin zur Tür des alten Steinhauses und klopften an. „Herein », rief es in korsisch und mir wurde mulmig, ich mochte es einfach nicht, so bei den Leuten einzukehren. Ich schob die Tür beiseite und wir traten in den kühlen Hauptraum des Hauses ein.
Am großen Esstisch neben dem Kamin saß ein älterer Mann, und schälte gerade Kartoffeln. „Verzeihung dass wir Sie stören, der Wirt der Bar hat uns ihre Au – au – berge empfohlen“, stotterte ich – fügte aber weiter hinzu: „er sagte uns, Sie servieren leckeres Hausmannsessen … und da wir gerade auf der Suche nach einer Auberge sind … also… » „Immer reinspaziert, junges Fräulein und der Herr … setzt Euch, nehmt Platz, ich serviere euch gleich einen Aperitif! Angele komm, wir haben Besucher, leg noch zwei Teller auf!“ Wir setzten uns dankend und begrüßten seine Frau, die mit Geschirr beladen auf uns zu kam. Sie begrüßte uns herzlichst und deckte dann den Tisch. Joseph holte aus dem Küchenschrank eine Flasche klaren Obstschnaps und goss uns Beiden ein. Ich wusste, dass ich nicht ablehnen durfte, es würde wie eine Beleidigung gelten … also hob auch ich zum Trunk an. „Auf Euer wohl liebe Besucher, salute! » « Auf Ihres ebenso, salute! » wiederholten mein Vater und ich, und wir schütteten den beißenden Aquavita herunter. Ich musste mich beherrschen nicht loszuhusten, da die Flüssigkeit heiß beizend in meinem Rachen brannte.
Der alte Mann brachte seiner Frau die Kartoffeln und machte sich nun selbst in der Küche zu schaffen. Inzwischen kam sie zu uns und setzte sich mit einem Glas Wasser an den Tisch uns gegenüber und stellte uns haufenweise Fragen. Ich dolmetschte zwischen den Beiden hin und her, die über alles und jenes redeten. Dann endlich war das Essen fertig: Joseph servierte Tomatensalat aus frischen Gartentomaten mit Gartenkräutern, selbst angebaut, mit Olivenölzitronendressing aus der eigenen Herstellung, Aufschnittplatte mit Lonzu, Salciccia und Prisuttu, von den eigenen Hausschweinen, dazu selbstgebackenes Bauernbrot als Vorspeisen. Wir ließen es uns schmecken, es war ausgezeichnet und echt lecker. Dann als Hauptspeise servierte Joseph eine Art Bauernfrühstück: Bratkartoffeln und Zwiebeln in ausgelassener Panzetta knusprig gebraten, also mit Speck, und darunter frische Eier aus dem eigenen Hühnerstall gemischt und das alles mit gehackter Petersilie verziert! Mein Vater bemerkte „Na das schmeckt ja wie bei Muttern. Bei uns wurde das immer als Bauernfrühstück serviert, meine Urgroßmutter baute auch alles selber an und ich schwöre, seit meiner Kindheit habe ich nicht mehr so ein authentisches Gericht genossen … ist schon unglaublich, wie weltweit sich die Rezepte ähneln. Zwischen Rochlitz und diesem Dorf liegen immerhin fast 1200 km! Frag ihn doch mal, ob das ein traditionelles korsisches Rezept ist?“ Ich fragte ihn und er antwortete uns im akzentreichen aber doch gut verständlichen deutsch: „Nein, das ist kein traditionelles Gericht von hier. Das habe ich zubereiten gelernt, als ich Krieggefangener in Deutschland war. Ich arbeitete als KOCH auf einem Bauernhof mit einer Auberge! Aber hier bei uns nennt sich das „Korsisches Bauernfrühstück.“ Na, da waren wir aber überrascht … und alle lachten wir freudig zusammen.
Als Nachspeise wurden wir mit leckerem Ziegenkäse, auch aus eigener Herstellung, bewirtet. Dazu reichte man uns Walnüsse aus dem Garten, wenn auch vom letzten Jahr, ein reiner Genuss, so wie eine hausgemachte Feigenmarmelade zum Käse, rote und weiße Muskatweintrauben von der Pergola draußen und roten Landwein – kaum zu glauben, aber auch aus der Bioproduktion von Joseph.
Wir schafften es fast nicht den Teller leer zu essen und er tat uns noch weiter auf. Aus Höflichkeit verschlungen wir alles – außerdem war es auch einfach zu gut, um es stehen zulassen. Dann gab es noch einen Klaren AquaVita als Magenbitter, den wir dringend notwenig hatten und heißen Café mit von Angele selbstgebackenen Fritelle (süße Krapfen). Zu gesättigt, hatte ich Lust eine Siesta zu machen … doch während Joseph und mein Vater diskutierten, (wie auch immer, sie verstanden sich irgendwie) und er ihm eine Dicke (selbstgerollte?) Zigarre anbot, zeigte Angele mir das Haus, den Garten und die Tiere bei einem kleinen Verdauungsspaziergang.
Schließlich wollte mein Vater nach der Rechnung fragen, aber Joseph winkte ab, er würde liebe Freunde wie uns nicht unter Bezahlung bewirten, bei ihm sei jeder herzlich willkommen … und er würde sich freuen, wenn wir bei unserer nächsten Reise wieder vorbei kämen.
Wir bedankten uns herzlichst und versprachen ihm, beim nächsten Mal wieder vorbei zu schauen.
Zufrieden gesättigt und angeduselt vom reichen Wein und Aquavita « rollten » wir runter zum Auto.

Nachwort
Leider haben wir Joseph und Angele nicht wieder gesehen. Bei unserer nächsten Reise im Winter, wohnten sie in der Stadt und im Frühling erfuhren wir mit großem Bedauern, dass sie kurz nacheinander verstorben waren. Welch ein Unglück! Nun bewohnt einer ihrer Söhne das Haus, der aber ganz und gar nicht gastfreundlich sein soll …
« Damals » hätte ich auch nicht im geringsten daran gedacht, dass unsere lieben Gastleute die Eltern meines Zukünftigen waren, den ich einige Jahre später dort im Dorf kennen gelernt habe und mit dem ich dort ins Haus einzog, wo wir so gastfreundlich und reichlich bewirtet worden waren.

© Miluna Tuani
© Fotos: Michael Müller (3)

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