Mittwoch, 2. März 2011

Mittwoch, 2. März 2011




Erzählungen aus Korsika: Die zwei Raben vom Sulinzarafluss

Es waren einmal zwei große wunderschöne Raben, die lebten auf der Insel Korsika in einem der erhabenen Pinienwälder am Sulinzarafluss, der von der Bavellagebigskette hinunter an die Ebene fließt, und vor dem Ort Sulinzara, sich in einem breiten Delta umgegeben von Eukalyptushainen, ins Meer ergießt…
Diese beiden Raben hatten blauschwarzes, in der Sonne regenbogenfarben glänzendes Gefieder, das sie sich Tag ein Tag aus mit ihren orangeroten Schnäbeln emsig säuberten. Sie hatten sich hoch oben in einer der uralten Kiefern im kühlenden Schatten niedergelassen und begutachten das muntere Treiben unten am Fluss, wo sich in einem der Staubecken unzählige menschliche Besucher badeten und von den Felsen in das kühlende Nass sprangen, und das von morgens bis in den späten Abend! Ein stetiger Lärm schallte zu den beiden Raben hinauf, die sich flügelschlagend anschauten.

Am Abend dann, wenn der Ort seine natürliche Ruhe zurückgewonnen hat, fliegen die beiden Raben hinunter an das Flussufer und beginnen die essbaren Reste der Besucher aufzupicken, Brotstücke, Kekse, Obstreste und vielen mehr. Dann den Magen angefüllt, kehren sie mit einem zufriedenen Krächzen schnell in ihr Baumgipfelzuhause zurück, denn es lauert schon Herr Fuchs und Frau Waldwildkatze, die nun nach ebenso Essbarem für sich und ihre Familien suchen! Sollten sie aber nicht genug finden, um ihren Hunger der Ihresgleichen zu stillen, werden sie sicher versuchen ie Raben zu erhaschen! Wie viele Kleine und Eier haben die beiden Raben schon an ihre rotbepelzten und getigerten Mitbewohner verloren!
Den ganzen Sommer über dauert dieser Tummel, nun können die beiden aufatmen, und auch in Ruhe ein Bad nehmen, um ihr staubiges Gefieder zu waschen, am Tage wenigstens, denn abends lauern Fuchs und Katze.
So vergeht die Zeit Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat. Es ist schon fast Ende Oktober, der Fluss fließt leise rauschend daher, eine kühle Brise weht von dem Hochgebirge hernieder, die Kiefernäste wiegen sich im Wind.



Die beiden Raben haben ihre Schnäbel in ihr Gefieder gesteckt und sind gerade dabei eine Siesta zu machen, als sie ein turbulenter Lärm aus ihrer Ruhe weckt.

Eine Gruppe junger Menschen,beladen mit großen Rucksäcken, in Bergsteigerbekleidung und Bergschuhen, trifft auf dem Plateau in ihrem Kiefernhain ein, sie reden und lachen laut, dann begeben sie sich hinunter zum Fluss und breiten sich am Uferstrand aus. Sie nehmen kreischend ein Bad filmen und fotografieren ihre Aktivitäten, singen, stellen laute Musik an, tanzen, lachen und amüsieren sich bin spät in den Abend.

Die beiden Raben betrachten wie immer das Treiben, aber müde von diesem mit menschlichen Lärmlingen, wie sie sie nennen, sehr angefülltem Jahr. Also stecken sie wieder ihre Schnäbel ins Gefieder und versuchen trotz des Lärms zu ihren Krallen zu ruhen. Dann endlich wird es wieder still auf ihrem Plateau. Die jungen Leute haben sich in ihre Schlafsäcke verkrochen und schlafen einer nach dem andren ein. Das Wasser des Flusses springt sprudelnd über die großen Granitblöcke vor ihnen. Der aufgegangene Vollmond spiegelt sich wabernd in dem Staubecken. Auf einmal verdeckt ihn eine große graue Wolke. In Richtung des Bergpasses des Bavella zieht sich der eben noch sternenklare Himmel augenblicklich zu. Ein lautes donnerndes Grollen eines anziehenden Gewitters hallt in den hohen Bergen wieder. Grelle Blitze zucken über den „Aiguilles“ von Bavella, dem Bergmassiv, das auch Korsikas „Dolomiten“ genannt wird.




Die beiden Raben schauen sich besorgt an, dann fliegen sie auf eine Pinie nahe der schlafenden Besucher. Unruhig schlagen sie mit den Flügeln, als sie das Unwetter in den Bergen nahen sehen. Denn aus Erfahrung wissen und spüren sie, was bald geschehen wird! Auf einmal fliegen sie laut krächzend auf und schlagen wild mit den Flügeln, dann fliegen sie im Sturzflug hinunter zu den Schlafenden und schreien, kreischen, krächzen und klatschen so laut wie möglich mit den Flügeln. Als sich die Menschlinge bewegen und langsam einer nach dem anderen aufwacht, fliegen die beiden auf, immer noch laut krächzend hinauf zurück zum Plateau und setzen dort ihr Gezeter fort. Die jungen Leute reiben sich verschlafen die Augen, doch dann laufen sie zusammen, dem Licht ihrer Taschenlampe folgend in Richtung des fürchterliches Rabengeschreis. Die Raben fliegen weiter voran, und als sie sehen, dass alle ihnen folgen, bleiben sie in der Nähe auf einer kleinen Kiefer sitzen und schauen den Menschlingen entgegen. Sie stellen gerade ihr Gekrächze ein, als sich auf einmal ein tosender Lärm erhebt, als würde eine Lawine tausende von Gesteinsbrocken vor sich herschieben, und siehe da, die Gruppe junger Leute dreht sich erschrocken in Richtung Flusses um, von dem der Lärm kommt. Mit Entsetzen beobachten sie im Schein ihrer Halogenlampen, wie der Fluss in Sekundenschnelle ansteigt und aus seinen Ufern tritt und alles mit sich reißt, was auf seinem Weg liegt, ihre Sachen natürlich, wie aber auch riesige Gesteinsbrocken, junge Bäume. Alles versinkt und verschwindet im reißenden, tosenden Strom. Die jungen Leute bleiben mit offenen Mündern, fröstelnd aneinandergedrückt, stehen und betrachten schweigen das Desaster… Doch einer von ihnen schaut zu den Raben hinauf und ruft laut: „Danke ihr Lieben“… Die beiden Raben schauen sich zufrieden an, krächzen ein „Nicht der Rede wert“ und fliegen hinauf in ihr Nest, um sich endlich zur Ruhe zu setzen…




Miluna Tuani, März, 2009


Liebe LeserInnen,


danke fürs Lesen meiner kleinen Story, mit der ich alle Besucher Korsikas warnen möchte, nach Sommerende sich nur mit Vorsicht den Bergflüssen zu nähern, denn ein Unwetter im Hochgebirge, kann jeden Augenblick einen Fluss aus den Ufern treten lassen! Ich habe es selbst erlebt, am Bavellafluss Sulinzara, in Asco, am Fium-Altu in der Castanicca (siehe mein Roman „Wurzeln der Hoffnung« )!
Trotz vieler Warnungen, gibt es immer wieder tödliche Unfälle, die aber ganz einfach vermeidbar sind!


Viele liebe Grüße,

Ihre Miluna

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