Liebe Leser,
Heute möchte ich ihnen eine, sagen wir mal, korsische Musiklegende vorstellen, einen charismatischen Sänger, den wir viele Jahre lang auf seinen Tourneen als Zuschauer begleiteten, meistens nach einer unserer Bergwanderungen, in dem schönen wilden und archaischen Süden der Insel:
Jean-Paul Poletti, Autor, Komponist und Sänger.
Seit über dreißig Jahren lebt Jean Paul Poletti seine artistische und musikalische Karriere, die kaum einer anderen gleicht. Schon im Alter von 10 Jahren begann Jean Paul Musikstücke zu komponieren, die er mit seiner Gitarre begleitete. Bis 1974 bewies er sich als Meisterschüler in der berühmten Gesangsschule von Florenz, der Schola Cantorum, in den Fächern Chorleitung und Komposition.
1981 begann er seine musikalische Laufbahn als eine der führenden Stimmen und Songschreiber der legendären korsischen Gruppe Canta U Populu Corsu, mit der er die Revolte eines nach Freiheit und Gerechtigkeit schreienden Volkes unterstützte. Mit Canta U Populu Corsu stand er auch auf der Bühne der berühmten Konzerthalle l’Olympia in Paris zu dem Frühlingsmusik-Festival de Bourges.
Choeur Sartène – Olympia 16112007 di JelbyHN
Nebenbei arbeitete er 1974 als Gesangslehrer im Collège Saint-Paul in Ajaccio, dann 1986 in der nationalen Musikschule zu Bastia. Zwei Jahre später wurde er als Meister der Musikgesangsschule zu Sarténe benannt, die zur selben Zeit zum Zentrum Polyphonischer Kunst der Region Korsika deklariert wurde.
Viele Solokonzerte auf der Insel folgten, bei denen er seine neusten Kompositionen vorstellte. Als Meister des Einmannspektakels präsentierte er mit seiner Gitarre in der Hand seine stark emotionellen Lieder, mit seiner einmaligen, sagen wir mal, professionellen Tenorstimme, und seiner sympathischen und oft scherzhaften Art. Nur manchmal wurde er von einem Synthespieler begleitet.
1987 gründete er eine Gesangsschule in Sarténe und vor etwa 15 Jahren einen Männerchor. Den spätere „Chor von Sarténe“ führt er seitdem als Dirigent und Chorleiter an und seine Tourneen bringen ihn unter anderem auf das französische Festland und nach Europa, wo er seine profanen und polyfonen Kreationen vorstellt. Bei dem Festival «Fenice» in Venedig wurde sein Chor mit einer Neufassung eines Oratoriums aus dem 17. Jahrhundert Triumph gefeiert.
Poletti arbeitete weiter intensiv im Bereich der klassischen Vokalmusik und komponierte zwei Opern in korsischer Sprache, mit Costa Papadoukas, « Théodore von Neuhoff », später die « Cantata Corsica » nach dem Vorbild der italienischen Kantate.
Mit diesem Werk wurde er in die prestigereiche «Royal Academy of Music» in London als Ehrenmitglied aufgenommen. Seine Komposition « Messa Sulenna » wurde 2002 in der Oper von Lyon präsentiert und erntete großen Erfolg.
Etwa zur selben Zeit wurde er mit dem Preis der «Académie du Disque» 1989 für seine Kompostion « le Roi de Pierre » (der König der Steine) ausgezeichnet. Er nahm wie auch seine Kolleginnen Patrizia Poli und Patrizia Gatacecca, an den Kreationen der Gruppe « les Nouvelles Polyphonies Corses » teil und erntete einen enormen Erfolg und Anerkennung, vor allen Dingen 1992 bei der Eröffnungszeremonie der Olymischen Spiele von Albertville, bei der die Gruppe mit ihrem polyphonen modernen Gesang (Giramondu) ihr Debüt gab.
Heute kann man Jean Paul Poletti und seinem Chor im Sommer meist in Kirchen auf der ganzen Insel bestaunen, und auch wenn man nicht unbedingt Fan von weltlicher Musik ist, ist es ein einmaliges Erlebnis, ein Spektakel aus dem Zusammenspiel mystischer Stimmgestaltung!
Seine älteren Lieder und Meisterwerke gibt es noch in Plattenläden zu kaufen, und natürlich im Internet findet man Videos alter und neuer Aufnahmen, Hörbeispiele und Downloads.
Eins seiner schönsten Lieder für meinen Geschmack ist Mal’cunciliu, und Alcudina…
Hier noch ein paar Linktipps:
Jean-Paul Poletti: Das Album Messa Sulenna
Link zu einigen Originaltexten
Jean-Paul Poletti – Album mit korsischen profanen Gesängen, u.a. auch Alcudina
Herzlichst,
Ihre Miluna
Hier der Originaltext und meine Übersetzung von Mal’cunciliu
(“Uralter verkrüppelter und vom Blitz entstellter Kastanienbaum”)
Mal’cunciliu
Tù sì l’àlburu di lume
È ne veni da luntanu
Tù sì lu tonu è lu fiume
È Lesia chì canta pianu
Tù sì l’errante d’amore
Chì camina in la muntagna
Tù sì l’omu chì si more
Quandu fala l’ombra pagna
È quandu a notte ti porta
E voce di Torremorta
È chì u cantu di l’onda
Colla da a terra prufonda.
Tù sì l’àlburu di sognu
Scurticatu da lu ventu
Tù sì ànghjulu o demoniu
A carezza o lu spaventu.
Tù sì gioia o dulore
Ma cun tè mi maravigliu
Sò natu in lu to furore
Mal’cunciliu
Mal’cunciliu – Uralter verkrüppelter und vom Blitz entstellter Kastanienbaum
Du bist der Baum des Lichtes
Und deine Ursprünge kommen von Fern
Du bist wie der Donner und der Fluss
Und Lesia,
singt in deinem Schatten
eine sanfte Melodie
von den Irrewegen der Liebe
… welche in die Berge führen…
Du bist wie der Mensch
dem sich sein Leben zu Ende neigt
Wenn sich dichter Nebel niederlässt
und die Nacht ihn davonträgt
und der Gesang der Wellen
die das gesegnete Land überspülen
Du bist der Baum der Träume
entblättert vom Sturm
Du bist Engel wie Dämon
Die bist Schönheit wie
das Unheimliche in Person
Du bist Glück wie Schmerz
aber in deiner Nähe
fühle ich mich
wie im siebtem Himmel
unter deinem Zorn
bin ich geboren
oh du Mal’cunciliu
Übersetzung by Miluna Tuani
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