Von der « Vindetta », der archaischen Blutrache und dem Ehrenkodex auf Korsika hat sicher schon jeder gehört.
Das Bewahren von Ehre und Recht nahmen die Korsen früher selbst in die Hand. Nach ihrem Ehrenkodex war ein Mann verpflichtet schwere Kränkungen durch Mord zu rächen. Die Grundwerte des korsischen Ehrenkodex waren der absolute Respekt vor dem einmal gegebenen Wort, das man in keiner Weise brechen durfte, außerdem musste man einem Hilfesuchenden Gastfreundschaft anbieten.
Als Vendetta bezeichnet man die Rache eines Mordes oder einer einfachen Beleidigung, die gegen den korsischen Ehrenkodex verstößt. Alle Familienmitglieder sind daran beteiligt, das heißt, die Konfrontation von zwei Familien kann über eine lange Periode, sogar von Generation zu Generation „vererbt » werden … bis die Schande gesühnt ist. Das hat auf Korsika zur kompletten Auslöschung einiger Sippen geführt.
Auf Korsika war die Vendetta festen Regeln unterworfen: Ein echter Familienrat wurde einberufen, um zu entscheiden, ob z.B. eine erhaltene Beleidigung zur Rache führen sollte. War dies der Fall, wurde die Familie des Beleidigers in aller Ernsthaftigkeit benachrichtigt. Derjenige, der Gegenstand einer Vendetta gewesen war, wurde ein Ehrenbandit und ging in die Maquis. In diesem Fall wurde er durch seine Sippe unterstütz und ernährt, um dem Gesetz zu entgehen.
Die wichtigsten Orte, an denen sich die Banditen verstecken konnten war der Monte Sant’Appiano in der Monte Cinto Gegend, um den Monte Rotondo herum und im Niolu wie im FiumOrbu.
In dieser wilden und üppigen Natur konnten sie sich in Höhlen verstecken, in denen sie verurteilt waren allein zu lebe. Inmitten eines idyllischen Dekors fristeten sie ihr Dasein zusammen mit Falken, Mufflons und anderen wilden Tieren.
Die Ursache der Vendetta ist unter anderen auch im korsischen Charakter zu finden: Im allgemeinen ist der Korse lebendig, nervös, leicht reizbar, schnell gewaltsam und impulsiv. Es fällt ihm schwer, seine Impulse die ihn überkommen zu bremsen.
Die meisten Geschichten von Blutrache kamen in den südlichen Gegenden vor, wie in Guagno, in Palneca, im Fiumorbu, wo die Bewohner um einiges reizbarer sind, als z.B. im Norden der Insel.
Aus dieser Geisteshaltung heraus wurde der „Bandit d’honneur“ geboren: Ein Mann der zum Banditen wurde, weil er seine gekränkte Ehre rächen musste – und diese konnte nun mal nur durch Blut reingewaschen werden.
Das Vergeltungsrecht erlebte seinen Höhepunkt in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert, als die Zahl der durch Blutrache Ermordeten auf über tausend im Jahr anstieg und unzählige Ehrenbanditen sich in der Maquis versteckt hielten.
Diese auf ganz Korsika bekannten und berühmten „Bandits d’honneur“ hausten jahrelang in der Maquis und führten die Polizei an der Nase herum.
Im 19. Jahrhundert haben sich französische Schriftsteller für das Phänomen der Vindetta auf Korsika interessiert und haben reichlich Stoff gefunden, ihre literarischen Werke daraus zu machen.
Das berühmteste Werk ist „Colomba“ von Prosper Mérimée, der 1839 als Inspektor der historischen Monumente die Insel besuchte und vor Ort zu seiner Novelle inspiriert wurde.
Zwischen 1830 und 1890 machten Balzac, Mérimée, Maupassant, Dumas und viele andere die Vindetta zum Thema ihrer Werke. Eine literarische Mode ward geboren.
Auch heute sind diese großen Banditen Teil der korsischen Kultur, in der Poesie, in der Musik und wie gesagt in der Literatur.
Derzeit existiert die Familien-Vindetta im traditionellen Sinn nicht mehr. Daraus haben sich u.a. politische Fehden unter den rivalisierenden nationalistischen Parteien entwickelt.
Morgen folgt eine kleine „Vindetta-Geschichte“ …
© Miluna Tuani
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